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Medienwirksame Gerüchte

bnrDer folgende Artikel von Robert Andreasch ist in der Ausgabe Nr. 23/2008 im Blick nach Rechts erschienen. Die Veröffentlichung auf www.aida-archiv.de erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Medienwirksame Gerüchte

Auch in Bayern dreht sich das rechtsextreme Immobilien-Karussell: Am 28. Oktober nahm der Gemeinderat im oberfränkischen Warmensteinach sein Vorkaufsrecht wahr und bot dem Besitzer der „Pension Puchtler“ den Verkehrswert von 380 000 Euro als Kaufpreis an. Damit reagierte die Stadt auf die Aussagen des an einem Münchner Gymnasium unterrichtenden Peter Stiedl, er wolle den Gasthof für 1,84 Millionen Euro an den Hamburger Rechtsanwalt Jürgen Rieger verkaufen. Der sprach erst von einem „Rudolf-Heß-Zentrum“, dann gar von einer nationalen Siedlung mit fünf Grundstücken.

Rieger und die NPD deuteten gleichzeitig Interesse an der Gaststätte „Stadt Mainz“ in Würzburg an. Wohl um die angebliche Erwerbsabsicht zu unterstreichen, wurde in der „Pension Puchtler“ im September eine Veranstaltung mit Rieger und dem NPD-Aktivisten Norman Bordin durchgeführt. Im „Gasthaus Gruber“ im oberbayerischen Halsbach sollte Bordin gar schon als „Eventmanager“ angestellt sein. Das behauptete jedenfalls der dortige Wirt Alois Gruber jun., der damit den Druck auf die Gemeinde zu erhöhen versucht, seinen unrentabel gewordenen Landgasthof für 1,25 Millionen Euro zu erwerben oder für 5000 Euro pro Monat zu pachten. Als über 2800 Menschen im September gegen die häufige Neonazipräsenz demonstrierten, stellte sich Norman Bordin mit dem ebenfalls knasterfahrenen militanten Aktivisten Karlheinz Statzberger und dem Neonazi-Versandhändler Matthias Polt („Versand der Bewegung“, Murnau) gut sichtbar auf dem Balkon des „Gasthauses Gruber“ auf. Tatsächlich arbeitete der NPD-Aktivist Bordin (Ottobrunn) damals jedoch in Vollzeit für eine Münchner Zeitarbeitsfirma.

Auch in Bayern wiederholt sich immer öfter ein Szenario, das aus einer unverkäuflichen beziehungsweise überteuerten Immobilie, aus Verkäufern in finanziellen Schwierigkeiten oder solchen im Clinch mit den Behörden sowie aus der öffentlichen Drohung einer Überlassung an Neonazis besteht. So erwarb die Stadt Wunsiedel 2007 für einen Millionenbetrag den Gasthof „Waldlust“, nachdem Kaufgerüchte durch Jürgen Rieger öffentlich wurden und Thomas Wulff medienwirksam mit seinem VW-Bus vorgefahren war. Ende 2007 kaufte die Stadt Hassfurt die „Wildbadkegelbahn“. Für die soll sich Uwe Meenen (Würzburg) interessiert haben, nachdem die Wunsiedler Kneipe „Lokalbahn“ nicht mehr für Kameradschaften und NPD zur Verfügung stand.

Der mitgliederstärkste Landesverband der NPD besitzt neben der regelmäßig von der NPD genutzten Lokalität „Traudls Café“ im niederbayerischen Fürstenzell kaum Infrastruktur. Ein gut sichtbares großes NPD-Schild, die Überlassung als NPD-Wahlkampfzentrale und für ein Sommerfest im September 2008 sollten folglich im niederbayerischen Straubing die Stadt motivieren, eine in Insolvenz gegangene ehemalige Tierklinik für 2,3 Mio Euro zu erwerben. Die geringen finanziellen Mittel der bayerischen NPD lassen den Ankauf einer solchen Immobilie völlig unrealistisch erscheinen. Jürgen Rieger mögen Immobiliendeals zuzutrauen sein, auch er dürfte sich jedoch eher zu marktüblichen Preisen bedienen.

Die Städte Grafenwöhr (Tennishalle), Cham (Diskothek), Lauf (Wiesengrundstück) ließen sich in den letzten Jahren durch einschlägige Drohungen zu einem Kauf drängen. Die Städte Altreichenau (Wellenbad), Neumarkt (Bürogebäude), Weissenohe (Wiesengrundstück) ließen sich dagegen nicht schrecken, in keinem Fall haben danach Partei oder Strohmänner zugegriffen. Das von der NPD angekündigte „Bundes-Schulungszentrum“ in Altötting entpuppte sich als unbenutzbare Bauernhofruine eines lokalen NPD-Aktivisten. Die Drohung mit einem „Schulungszentrum“ wird zunehmend unglaubwürdig.Beim Bundesparteitag in Bamberg stellte Andreas Molau das „Schulungskonzept“ der NPD vor: „Wir werden Grund- und Aufbaulehrgänge im Schulungszentrum Berlin entstehen lassen. Ansonsten wurde ein E-Lern-Konzept erarbeitet“ – von dezentralen Kursen war nicht die Rede.

Kaum Diskussionen gibt es indes über die in diesem Jahr tatsächlich erfolgten Immobilienkäufe in Bayern: Im mittelfränkischen Insingen-Lohr erwarb Neonazi-Barde Frank Rennicke für 31 000 Euro ein Bauernhaus mit Nebengebäuden, in Schwanstetten kaufte der extrem rechte „Zentralrat souveräner Bürger“ für 600 000 Euro die „Dorfschänke“.

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