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Ausgefallene Feiern für Hitler-Stellvertreter

Wunsiedel/Warmensteinach. Komplett ausgefallen sind am Samstag 16. August alle angekündigten Neonazi-Veranstaltungen zu Ehren des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß. In Wunsiedel fand zum vierten Mal ein "Tag der Demokratie" mit etwa 400 Teilnehmern statt, in Warmensteinach demonstrierten über 2.000 Menschen gegen den befürchteten Ankauf eines Gasthofs durch den NPD-Funktionär Jürgen Rieger.

Die beiden oberfränkischen Orte standen im Mittelpunkt, weil in Wunsiedel nun bereits zum vierten Mal in Folge der bis 2004 jährlich veranstaltete Heß-Aufmarsch verhindert wurde. Ein Eilantrag des Demo-Veranstalters Jürgen Rieger gegen die Verbotsverfügung war zuletzt vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe abgelehnt worden. Im gut 20 Kilometer entfernten Warmensteinach wollten die Neonazis im Gasthof Puchtler eine Ersatzveranstaltung abhalten, die jedoch ebenfalls verboten wurde. Dieses Verbot wurde im Anschluss durch das Verwaltungsgericht Bayreuth, den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in München und am Freitag abend durch das Bundesverfassungsgericht bestätigt.

In keinem der beiden Orte konnten Neonazis erscheinen. Am Freitag erhielten bei Warmensteinach vier Rechtsextreme einen Platzverweis, am Samstag versuchten fünf Neonazis aus dem südlichen Landkreis Bayreuth vergeblich, mit einem Fahrzeug in den Ort zu gelangen. Bei ihnen wurden Sturmhauben, Helme, Pfefferspray und ein Schlagring gefunden; die Quittung waren Anzeigen wegen Verstoßes gegen das Versammlungs- und das Waffengesetz.

Laut einem Polizeisprecher war dem stellvertretenden NPD-Vorsitzenden Jürgen Rieger mitgeteilt worden, wenn er versuchen würde, nach Warmensteinach zu kommen, werde er zurückgewiesen. Rieger unternahm daraufhin offenbar keinen Versuch anzureisen.
 
Ob der Gasthof Puchtler an Rieger verkauft wird, ist weiterhin offen; er ist vor wenigen Tagen überraschend geschlossen worden. Die vier alten Damen, die das Traditionsgasthaus zuletzt betrieben hatten, sollen mittlerweile in ein Seniorenheim umgesiedelt sein. Der Eigentümer, Sohn einer der Damen und Gymnasiallehrer für Wirtschaft und Recht in München, hatte sich einige Tage in Warmensteinach aufgehalten, hat den Ort aber am frühen Samstag verlassen.

Im Luftkurort Warmensteinach mit gut 2.300 Einwohnern kamen mehr als 2.000 Menschen zu einer Protestdemonstration gegen die befürchtete Einnistung von Neonazis zusammen. Die Gemeinde hat in der vergangenen Woche durch eine Änderung der Bauleitplanung den Gasthof in ein Sanierungsgebiet einbezogen, damit steht der Kommune ein Vorkaufsrecht zu.

In den bayerischen Städten Forchheim, Kitzingen und Erlangen hatte die NPD nach Angaben eines Polizeisprechers versucht, Eilversammlungen durchzuführen, die jedoch von den betreffenden Kommunen als Ersatzveranstaltungen für den verbotenen Heß-Marsch ebenfalls untersagt wurden. Auch im thüringischen Sonneberg und im baden-württembergischen Biberach wurden gleichartige Versammlungen verboten.

Im Landkreis Forchheim haben etwa 55 Neonazis am Samstag nachmittag versucht, nach dem Verbot der angemeldeten Eilversammlung bei der Ortschaft Geschwand eine Heß-Gedenkveranstaltung abzuhalten. Daran beteiligt war auch Jürgen Rieger. Die Polizei löste die Versammlung "mit starken Kräften" auf und erteilte den Anwesenden Platzverweise.

In Frankenthal (Rheinland-Pfalz) haben laut Polizeiangaben etwa 30 Neonazis einen nicht angemeldeten Marsch versucht; örtliche Beobachter sprachen dagegen von 70 bis 100 Personen. Die Neonazis hatten offenbar zunächst versucht, eine Demonstration in Mannheim zu veranstalten, waren aber wegen der dort präsenten starken Einsatzkräfte nach Frankenthal ausgewichen. Nach Angaben der Polizei war die Gruppe dort mit Plakaten vom Bahnhof in Richtung Innenstadt marschiert und hatte vereinzelt Parolen anlässlich des Todestages von Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß skandiert. Nach etwa 10 Minuten sei die Polizei erschienen, die Neonazis hätten sich daraufhin zerstreut. Etwa 20 Personen wurden festgenommen und Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz sowie in einem Fall wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt eingeleitet.

Auch in Braunschweig (Niedersachsen) versuchten etwa 50 Neonazis einen Marsch durch die Innenstadt, den die Polizei erst nach einer halben Stunde beenden konnte. Die Beamten stellten die Personalien von 40 Teilnehmern des nicht angemeldeten Aufzugs fest und erteilte Platzverweise für das Stadtgebiet.

[Der Artikel erschien erstmals am 16.08.08 auf redok.de . Die Veröffentlichung auf aida-archiv.de erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Autors]

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