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Lieber Nazirock als Kindergarten-Essen

Gremsdorf. Ein Gasthof im mittelfränkischen Gremsdorf dient seit Jahren als beliebter Neonazi-Treff. Die Gemeinde wollte den schlechten Ruf eines Nazi-Dorfes loswerden und bot dem Wirt wirtschaftliche Unterstützung an – doch der lehnte ab und beherbergt lieber NPD und Nazirock-Konzerte.

Im 1.500-Seelen-Ort Gremsdorf (Landkreis Erlangen-Höchstadt) ist die gastronomische Auswahl nicht groß, wenn Vereine tagen oder feiern wollen. Und so kehren die üblichen Verdächtigen auch im Gasthof Göb ein: Fischerei- und Brieftaubenverein versammeln sich dort, die Freie Wählergemeinschaft hält ihre Generalversammlung ab, der Frauentreff organisiert dort den Kinderfasching, so wie auch alle Vereine des Ortes beim Wirt Thomas Göb ihren gemeinsamen Faschingsball feiern.

Doch solche Kundschaft scheint Göb nicht auszureichen. Bereits seit Jahren treffen sich in seinem Saal immer wieder Neonazis, die weit über die Region hinaus zu Nazirock-Konzerten oder politischen Versammlungen anreisen.

Im Januar 2004 spielte die Nazi-Black-Metal-Band "Absurd" hier auf, die im Februar 2005 erneut vor 140 Gästen bei Göb auftrat, zusammen mit den Bands "Blutaar" und "Morrigan". Im Mai 2005 waren es Gruppen wie "Radikahl" (Nürnberg), "Blitzkrieg" (Chemnitz) und "Propaganda" (Horb, Baden-Württemberg), die vor 250 Gästen für rechten Spaß sorgten. Als Treffpunkt der rechtsradikalen Szene sei der Gasthof jedoch nicht einzustufen, meinte ein Sprecher der Erlanger Kriminalpolizei. Der Gasthof wurde zwar in thüringischen und bayerischen Verfassungsschutzberichten erwähnt, doch ohne Namensnennung, und so ließ sich Gastwirt Göb davon nicht stören.

Göb hatte sich darauf zurückgezogen, dass er "aus rein geschäftlichem Interesse" an Rechtsaußen vermiete: "Was Geld bringt, wird gemacht". Bei der Auswahl der Gäste könne man in wirtschaftlich schwierigen Zeiten nicht wählerisch sein, und außerdem laufe die Anmietung über einen Konzertveranstalter und da frage er nicht nach.

Einen Konzertveranstalter brauchten jedoch einige seiner Gäste keineswegs. Schon im Oktober 2003 trafen sich bei Göb die "Jungen Nationaldemokraten" (JN, NPD-Jugendorganisation) zu einem "Europakongress" mit 160 Teilnehmern und Delegationen aus Italien, Irland, Schweden sowie Griechenland. Dabei waren der JN-Vorsitzende Stefan Rochow, der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt und Pierre Krebs, ein Vordenker der "Neuen Rechten" und Gründer des "Thule-Seminars" (Kassel). Musikalisch untermalt wurde das Treffen von den braunen Liedermachern Frank Rennicke und Michael Müller. Im März 2005 fand bei Göb die Hauptversammlung der "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V." (HNG) statt.

Im folgenden Jahr 2006 ging das Rechts-Geschäft weiter: Erst gab es Mitte Mai wieder ein Rechtsrock-Konzert ohne "Nachfragen" des Gastwirts, dann versammelte sich eine Woche später wieder eine Truppe ohne Konzertveranstalter: der bayerische NPD-Landesparteitag kam bei Göb mit "über 100 Delegierten und Gästen" zusammen, darunter auch dem stellvertretenden Parteivorsitzenden Holger Apfel.

Im März 2007 reichte es einigen Lokalpolitikern. Zwei Grünen-Kreisräte appellierten an die Einwohner, den Gasthof Göb nicht mehr als Treffpunkt für Parteien, Vereinstreffen, Faschingsabende oder sonstige Veranstaltungen zu benutzen. Der Landkreis solle zumindest den Gasthof aus seinen Freizeitbroschüren streichen. Auch der Gremsdorfer Bürgermeister Waldemar Kleetz wollte nun zu weiteren Taten schreiten. Schon seit längerem kehrt der Gemeinderat nach seinen Sitzungen nicht mehr bei Göb ein, nun soll am 1. Juli eine Gedenkfeier für die Opfer des Nationalsozialismus abgehalten werden.

Doch die Gemeinde wollte den über knappe Kassen klagenden Gastwirt beim Wort nehmen und ihm eine Brücke bauen. Der Gemeinderat gab Göb den Zuschlag für die Versorgung des Kindergartens mit Mittagsverpflegung, für die er sich beworben hatte. Gehofft hatte das Gremium darauf, dass der Gastwirt dann auf rechtsextreme Veranstaltungen verzichten würde.

Als der Bürgermeister ihn über den Zuschlag informieren wollte, nahm Göb jedoch sein Angebot zurück. Als Grund nannte er einen Bericht der Lokalzeitung Nordbayerische Nachrichten, die kurz vorher über neue Pläne des Gastwirts geschrieben hatte.

Am 9. Juni soll im Gasthof Göb wieder mal eine Nazirock-Party steigen. Auftreten sollen "Absurd" (Deutschland), "Blessed in Sin" und "Finis Gloria Dei" (beide Frankreich) und "Funeral Winds" (Niederlande), die durchweg zur Szene des sogenannten "National Socialist Black Metal" (NSBM) gehören.

Damit lässt sich in Mittelfranken offenbar besser Kasse machen als mit Kindergarten-Essen. Die Gremsdorfer werden sich etwas einfallen lassen müssen, um den befürchteten schlechten Ruf loszuwerden.

 

[Der Artikel erschien erstmals am 28.05.07 auf redok.de. Die Veröffentlichung auf aida-archiv.de erfolg mit freundlicher Genehmigung des Autors]

 

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