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22. Juli 2016

München. Im Bereich des McDonald’s-Restaurants sowie des Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) an der Hanauerstraße werden neun Menschen bei einem rassistischen Attentat ermordet und fünf weitere schwer verletzt.

Die Ermordeten:

Armela Segashi (14 Jahre), Can Leyla (14), Dijamant Zabërgja (20), Giuliano Kollmann (19), Hüseyin Dayıcık (17), Roberto Rafael (15), Sabina S. (14), Selçuk Kılıç (15), Sevda Dağ (45).

Illustration von „München erinnern!“ (2022)

Die Hintergründe:

Der Attentäter David S. tötet sich mehrere Stunden später selbst, als er von Polizeibeamten in einer Nebenstraße entdeckt wird. S. war in den Klassen fünf bis acht durch Mitschüler_innen massiv gemobbt und zum Teil auch körperlich angegriffen worden. Aber er war auch stolz, als Iraner und Deutscher „Arier“ zu sein. Er fluchte über „Kanaken“ und zeigte Sympathien für die AfD. Er schaute fasziniert Youtube-Videos des rechten Attentäters Anders Breivik an, der am 22. Juli 2011 auf der norwegischen Insel Utoya 69 linke Jugendliche erschossen und im Regierungsviertel acht Menschen durch einen Bombenanschlag getötet hatte. Ein Porträt Breiviks nutzte David S. als persönliches Profilfoto bei „Whatsapp“. Er legte den Tag seines Attentats auf den 5. Jahrestag des Massenmords von Breivik in Norwegen. S. hatte im Jahr 2015 ein zweiseitiges Manifest („Die Rache an diejenigen die mich auf dem Gewissen haben“) verfasst. Er beschrieb darin die hoffnungslosen Tage an der Schule, an der er gemobbt wurde, aber auch, dass der Stadtteil Feldmoching-Hasenbergl nahezu komplett mit einem „Virus“ infiziert sei. Die „ausländischen Untermenschen“ mit meist „türkisch-balkanischen Wurzeln“ würden „die Kriminalität regieren“, schrieb S. und hetzte über „Kakerlaken“ und „Menschen, die er exekutieren werde“. Wie sein Vorbild Breivik hatte sich S. eine Pistole Glock 17 Generation 4 beschafft. Bei den Schießübungen mit der neuen Glock hatte sich S. gefilmt. Er rief vor der Kamera, die AfD werde die Deutschtürken ausschalten. Er schrieb, wenige Tage vor dem Attentat, sich selber Chatnachrichten: „Unsere Gegner sind jetzt Salafisten, Wirtschaftsflüchtlinge, Merkel“ und antwortete sich draufhin selbst mit „Du wirst alles stoppen und die AfD wird durch uns in die Höhe gepusht, die Salafisten werden in die Zielscheibe geraten“. Kurz vor dem Attentat legte S. ein Dokument mit dem Titel „Ich werde jetzt jeden Deutschen Türken auslöschen egal wer.docx“ an. S. ist auch Antisemit, schimpft oft über Israel und beleidigt Jüdinnen und Juden.

Die Entpolitisierung:

In der Öffentlichkeit soll das alles nicht bekannt werden. Monatelang wird von Politik und Behörden ausschließlich von einem „Amoklauf“ eines unter Mobbing leidenden Jugendlichen gesprochen. In einem öffentlichen Statement des LKAs zum Abschluss der Ermittlungen heißt es: „Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die Tat politisch motiviert war“. Durch mehrere Anfragen der Landtagsabgeordneten Katharina Schulze (Bündnis 90/Grüne) und die stückweisen Antworten der bayerischen Staatsregierung bekommt diese Behauptung jedoch Risse. Im Oktober 2017 kommen die drei von der Stadt München bestellten Gutachter Matthias Quent, Christoph Kopke und Florian Hartleb zu dem eindeutigen Ergebnis, dass der Amoklauf am Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) als politisch rechts motivierte Tat zu werten sei.

Ein Einzeltäter?

Die Tatwaffe für das Attentat am OEZ hatte S. bei Philipp K. (Marburg) erworben, den er im Darknet kennengelernt hatte. Philipp K. war ein Rassist wie S. und zeitweise auch in der rechten Szene aktiv.
S. war weltweit mit Amok- und Rechtsterrorfans vernetzt. Bei Computerspielen und auf der Steam-Plattform (wo S. Nutzernamen wie „Deutscher AFD Prophet“, „Prophet Führer Deutsch“, „Prophet 5 Gottgleicher Deutsch“ und „Prophet Deutscher Stolz (AFD)“ benutzte), tauschte er sich zumindest mit David F. (Gerlingen) und William Atchison (Aztec, USA) über das von ihm geplante Attentat aus. Der damals 15-Jährige David F. alias „Diabolic Psychopath“ (Gerlingen/Ludwigsburg) hatte bereits Chemikalien für Sprengsätze und Rohrbomben sowie Munition für Schusswaffen besorgt. Aufmerksame Gamer_innen machen die Behörden auf ihn aufmerksam, so dass er kein eigenes Attentat mehr durchführen kann. Doch die deutschen Behörden geben ihre Erkenntnisse offenbar nicht in die USA weiter. Mit schrecklichen Folgen: Der 21-jährige Rassist und Antisemit Atchison ermordet bei einem Schulattentat am 7. Dezember 2017 an der High School in Aztec (New Mexico/USA) zwei Schüler hispanoamerikanischer Herkunft.
In den Folgejahren wird der Münchner Attentäter David S. in rechtsterroristischen und akzelerationistischen Chatgruppen aufgrund seines rassistischen und antiziganistischen Massenmordes am OEZ als „Held“ verehrt.

Siehe auch:

Robert Andreasch: „Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die Tat politisch motiviert war.“ In: „der rechte rand“, Ausgabe 169/November 2017. Online unter: https://www.der-rechte-rand.de/archive/2926/oez-attentat-politisch/

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