Augsburg: Nach ihren Kundgebungen in Landsberg und Bobingen fahren die Neonazis des bayernweiten Neonazinetzwerks „Freien Netz Süd“ (FNS) am frühen Nachmittag zu einer weiteren Versammlung in der Annastraße in der Innenstadt. Eine gezielte Provokation, denn in der City findet zu dieser Zeit der Umzug des Augsburger „Karneval der Welten“ statt.
Die rund 30 Neonazis zeigen ein neues FNS-Transparent „Keine Macht der Zinswirtschaft“ und haben auch das bekannte Transparent der „Kameradschaft München“ („Wir kämpfen für Euch“) dabei. Auch die schon bei mehreren Versammlungen des FNS in diesem Jahr zum Einsatz gekommenen Esel- und Schafskostüme kommen hier zum Einsatz: „Das Schaf glaubt an den Bestand des Euros“ und „Der Esel glaubt, dass die 30 Milliarden Euro Finanzspritze für Hypo Real Estate gut angelegt wurden“ steht auf Pappschildern, die die Verkleideten halten.
Am 23. Juli 2012 veröffentlichen das Neonazinetzwerk „Freies Netz Süd“ (FNS) und der NPD-Kreisverband Augsburg einen – identischen – Artikel über die Kundgebung in Augsburg und die Versammlungen in Landsberg und Bobingen, der voller antisemitischer Chiffren ist. Bei den Kundgebungen, so schreiben die Neonazis zudem, sei aus Gottfried Feders „Manifest zur Brechung der Zinsknechtschaft“ vorgetragen worden. Feder veröffentlichte den Text „Das Programm der NSDAP und seine weltanschaulichen Grundlagen“, seine antisemitischen Hetzschriften werden in Adolf Hitlers „Mein Kampf“ lobend erwähnt. Feders wirtschaftspolitische Vorstellungen fanden 1920 Eingang in das „25-Punkte-Programm“ der NSDAP. Seine Thesen dienten als Begründung für die nationalsozialistische Politik, alle Jüdinnen und Juden aus dem wirtschaftlichen Leben auszuschließen.
Die Anmeldung der Versammlung, die nach Angaben der „Augsburger Allgemeinen“ wohl vom Meringer Neonaziaktivist Roland Wuttke (für 20 Teilnehmende) eingereicht wurde, lag am Donnerstag dem Ordnungsamt vor. Die Anmeldung einer Kundgebung des FNS wird von der Stadt jedoch totgeschwiegen.
Der Augsburger Ordnungsreferent Volker Ullrich gibt gegenüber der Internetzeitung „Die Augsburger Zeitung“ (DAZ) offen zu, dass dies der Unterbindung von Protesten gegen die Neonazis dienen soll. Die DAZ zitiert Ullrich wie folgt: „Die mediale Aufmerksamkeit wäre größer gewesen, der Sicherheitsaufwand komplexer. Es gehöre mittlerweile bei kleinen Kundgebungen dieser Art zur Deeskalationsstrategie der Behörden, kleinere Aufmärsche rechtsradikaler Gruppen dergestalt abzuwickeln“.
Aus Sicht der Polizei verläuft die Kundgebung störungsfrei: „Keine besonderen Vorkommnisse“. Das FNS freut sich über die Totschweigetaktik von Stadt und Polizei: „Die Veranstaltungen verliefen störungsfrei. Lediglich in Landsberg rotteten sich nach Ende der Kundgebung einige eilends zusammengerufene Schergen der Globalisierer zusammen. Die Kundgebungen haben sich als äußerst effizient erwiesen.“
Siehe auch: www.daz-augsburg.de vom 22. Juli 2012 und Online-Version der „Augsburger Allgemeinen“ (www.augsburger-allgemeine.de) vom 22. Juli 2012.