Landsberg (Lech). 27 Neonazis aus den Reihen des bayernweiten Neonazinetzwerks „Freies Netz Süd“ (FNS) versammeln sich am Vormittag zu einer Kundgebung auf dem Hauptplatz in Landsberg.
Roland Wuttke (Mering) hält eine von einem Lautsprecherfahrzeug verstärkte Rede. Vor ihm stellen sich bekannte Neonazis des „Freien Netz Süd“ auf. Martin B., führender Aktivist der „Freie Nationalisten Weißenburg“, hält ein Transparent mit dem Logo des neonazistischen „Infoportals Schwaben“ und der Aufschrift: „Dieses System bringt uns den Volkstod – unser Volk stirbt“. Das vom „Infoportal Schwaben“ verwendete Logo, eine Feder, soll jedoch auch an den führenden Antisemiten und NS-Wirtschaftspolitiker Gottfried Feder erinnern.
Die bekannten und im FNS aktiven Neonazis Thomas Huber (München) und Stefan Willy Reiche („Jagdstaffel D.S.T.“, Geretsried) halten das Transparent der „Kameradschaft München/Freies Netz Süd“ („Wir kämpfen für Euch“) hoch. Der FNS-Aktivist Roy Aßmus (Teising) steht hinter dem neuen Transparent „Keine Macht der Zinswirtschaft – Freiheit statt Bankenherrschaft – Nationaler Sozialismus – einzige Alternative“. Dominik Hering (Freising), führender Aktivist des neonazistischen „Aktionsbund Freising“, hält das bekannte „Freies Netz Süd“-Transparent, das mit Porträtabbildung und Aufschrift („Deutsches Volk …. wache endlich auf – Reinhold Elstner“) an den Münchner Holocaustleugner Elstner erinnert. Marcel Burucker (München) aus dem Bezirksvorstand der oberbayerischen NPD schwenkt eine Flagge mit gekreuztem Hammer/Schwert-Symbol, einem Gaufeldzeichen der Hitlerjugend. Die anderen anwesenden Neonazis tragen Bayern-Fahnen, schwarze Fahnen (mit den Aufschriften „Altötting“, „München“ und „Weißenburg“) und schwarz-weiß-rote „Reichsfahnen“.
Wuttke hat die Anmeldung zur Aktion in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag bei der Stadt Landsberg eingereicht, wo sie am Donnerstag Vormittag bekannt wird. Die Stadt verschweigt die neonazistische Veranstaltungsanmeldung gegenüber der Öffentlichkeit. Mitglieder des Landsberger „Bündnis gegen rechts“ erfahren am Vormittag zufällig von der Neonaziaktion. Es gelingt kurzfristig, zwei Dutzend Bürger_innen mit Trillerpfeifen und dem Transparent „Landsberg Stadt hat Nazis satt“ zu einem spontanen Protest zu mobilisieren.
Die Aktivist_innen um den Grünen-Landtagsabgeordneten Ludwig Hartmann werden nach der Neonazikundgebung vor Ort von einer Nazigruppe um die bekannten FNS-Aktivisten Stefan Friedmann (Bad Wörishofen), Karl-Heinz Statzberger (Markt Schwaben), Thomas Huber und Martin B. (Weißenburg) bedrängt. Schließlich wird Hartmann, wie ein Pressefoto belegt, von einem Neonazi aus der Gruppe mit einem Faustschlag attackiert und leicht verletzt. Nicht nachvollziehbar ist die Reaktion anwesender Zivilpolizisten, die keine Neonazis verhaften, zum Zwecke einer angeblichen „Enstschärfung“ der Situation stattdessen das antifaschistische Transparent an sich nehmen. Anschließend fahren die Neonazis ungehindert zu ihrer nächsten Kundgebung in Bobingen.
Der Landsberger Landrat Walter Eichner befürwortet gegenüber der „Augsburger Allgemeine“ die Totschweigetaktik seiner Behörde. In einem Artikel auf www.augsburger-allgemeine.de heißt es dazu: „‚Die Strategie ist aufgegangen‘, sagt Walter Eichner. Es sei die Anregung der Polizei gewesen, die rechten Demonstranten ‚ins Leere laufen zu lassen‘. Ob dies nun immer so gemacht werde, sei offen“. Jürgen Huhndorf, Sachbearbeiter Einsatz der Landsberger Polizei, nennt die Neonazis im selben Artikel „Demonstranten“ und freut sich über den Verlauf der Kundgebung: „Die Bürger haben die Demonstranten mißachtet“. Siehe auch: Online-Version der „Augsburger Allgemeinen Zeitung“ (www.augsburger-allgemeine.de) vom 21., 22. und 23. Juli 2012.