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15. Juni 2005

München. Am Nachmittag wird der 41-jährige Theodoros Boulgarides in seinem Ladengeschäft (Trappentreustr. 4) von Neonazis des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ (NSU) ermordet. Gegen 18.30 Uhr fährt sein Geschäftspartner in den Laden, da er Boulgarides nicht telefonisch erreichen kann. Er findet den von drei Schüssen Getroffenen tot auf.

Theodoros Boulgarides wurde 1964 im griechischen Triantafyllia geboren. 1972 holten seine Eltern den Achtjährigen und seinen zweijährigen Bruder nach München. Hier machte Theo Boulgarides später einen Schulabschluss und eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann. Er arbeitete u. a. bei Siemens und als Fahrkartenkontrolleur bei der S-Bahn. Am 1. Juni 2005 eröffnete er zusammen mit einem deutschen Freund den Schlüsseldienst „Schlüsselwerk“ im Münchner Westend, wo er aufgewachsen war.

Boulgarides hinterlässt seine frühere Ehefrau und zwei Töchter. Die polizeilichen Ermittlungen folgen rassistischen Arbeitshypothesen und bedeuten eine jahrelange Drangsalierung der Familie.

Gavriil Boulgarides, Theos Bruder, sagt: „Mein Bruder war das siebte Opfer des NSU. Er könnte noch leben, wenn die Behörden nicht von Anfang an so auf Ausländer als mögliche Täter fixiert gewesen wären.“ Und: „Theodoros ist in Griechenland beerdigt, neben meinem Vater und neben meinem Großvater. Der ist im Zweiten Weltkrieg auf Befehl der Deutschen von kooperierenden Bulgaren ermordet worden. Die haben 130 Männer in einem Waldstück umgebracht.“

In ihrem Plädoyer als Nebenklägerin im Münchner NSU-Prozess erinnert Yvonne Boulgarides in bewegenden Schlussworten an Theodoros Boulgarides: „Ich weiß, dass mein Mann gern gesehen hätte, wie seine kleinen Töchter zu Frauen herangewachsen sind. Wie gern er seine Mädchen zum Traualtar geführt hätte oder wie stolz er gewesen wäre, als seine Enkeltochter geboren wurde. Ich weiß auch, wie viele der hier beteiligten Nebenkläger geliebte Menschen verloren haben oder anderes Leid erfahren mussten. Aber ich weiß auch, dass wir die Zeit nicht zurückdrehen können. Eines aber können wir tun: Nicht aufhören zu fragen. Wir alle sollten auch nach diesem Prozess nicht aufhören, nach Antworten zu suchen. Vielleicht werden wir nie alles erfahren, aber wir werden die unzähligen Puzzleteile sammeln und zusammenfügen, bis das Bild der Wahrheit vor unseren Augen zu erkennen ist. Dann müssen auch alle anderen hinsehen.“

Quellen:

– NSU Watch: Plädoyers der Nebenklage im NSU-Prozess – fortlaufend ergänzt III (401. – 411. Verhandlungstag) vom 8. Februar 2018. Online unter: https://www.nsu-watch.info/2018/01/tageszusammenfassungen-plaedoyers-der-nebenklage-im-nsu-prozess-fortlaufend-ergaenzt-iii-ab-401-verhandlungstag/

– Hannah Zimmermann in Zusammenarbeit mit Martina Klaus (Hg.): Vom Lernen und Verlernen. Methodenhandbuch zur rassismuskritischen Aufarbeitung des NSU-Komplex.

– Barbara John (Hrsg.): Unsere Wunden kann die Zeit nicht heilen. Was der NSU-Terror für die Opfer und Angehörigen bedeutet.

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