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1. Mai 2012

Hof. Das neonazistische „Freie Netz Süd“ (FNS) führt einen Aufmarsch in der oberfränkischen Stadt durch. Das FNS, Kameradschaften aus Bayern und Sachsen sowie die „Bürgerinitiative Ausländerstopp München“ (BIA) haben dazu ab März 2012 unter dem Motto „Zeitarbeit abschaffen“ mobilisiert. Das noch im letzten Jahr bestehende bundeslandübergreifende „Nationale und Soziale Aktionsbündnis 1. Mai“ hat sich dagegen 2012 aufgesplittet, das heißt, das FNS arbeitet in diesem Jahr nicht mehr mit den baden-württembergischen und rheinland-pfälzischen Kameradschaftsgruppen, JN- und NPD-Landesverbänden (die zu Aufmärschen in Speyer und Mannheim aufrufen) zusammen.

Mobilisierungshomepage für den Aufmarsch in Hof.  Screenshot: a.i.d.a.
Mobilisierungshomepage für den Aufmarsch in Hof. Screenshot: a.i.d.a.
Die eigens für den Aufmarsch in Hof erstellte Homepage (erster-mai.info) ist auf den FNS-Führungskader und Anti-Antifa-Aktivisten Norman Kempken (Nürnberg) angemeldet. Das dort präsentierte Kampagnenlogo wurde unter Verwendung zweier nationalsozialistischer Symbole (dem Zahnrad der „Deutschen Arbeitsfront“ sowie einem Gaufeldabzeichen der Hitlerjugend) gestaltet.

Die Stadt Hof verbietet am 5. April 2012 zunächst die geplante Versammlung des „Freien Netz Süd“ und setzt damit eine vom Hofer Stadtrat verabschiedete Resolution gegen den Aufmarsch um. Der Stadtrat hatte die Verwaltung aufgefordert, alle rechtlichen Mittel auszuschöpfen, um die Veranstaltung der Neonazis zu verhindern.

Völkischer 'Antikapitalismus' beim Neonazi-Aufmarsch durch Hof.  Foto: LS
Völkischer ‚Antikapitalismus‘ beim Neonazi-Aufmarsch durch Hof. Foto: LS
Oberbürgermeister Dr. Harald Fichtner unterzeichnet einen entsprechenden Bescheid, der die Versammlung untersagt. Der Oberbürgermeister dazu: „Oft im Leben gibt es Situationen, in denen man Rückgrat beweisen muss und in denen es gilt, menschlich zu handeln (…) Wir machen mit einem Verbot gemeinsam deutlich, wo Hof steht. Wir setzen ein Zeichen gegen menschenfeindliches Gedankengut.“ Doch die Stadtverwaltung gibt sich mit dem Verbotsbescheid offensichtlich wenig Mühe: Die Neonazis erreichen am 23. April 2012 eine Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts Bayreuth, nachdem das Verbot der Stadt aufgehoben werden muss und der Aufmarsch doch stattfinden darf.

Schließlich kommen rund 450 Neonazis nach Hof, die Aktivist_innen des FNS reisen dabei – zum wiederholten Mal – in zwei Reisebussen („Hartl-Touristik“, aus dem niederbayerischen Irlbach) gemeinsam an.

Wenig bürgernah: Aggressiv pöbelnde Neonazis beim Aufmarsch.  Foto: Robert Andreasch
Wenig bürgernah: Aggressiv pöbelnde Neonazis beim Aufmarsch. Foto: Robert Andreasch
Vor Ort präsentieren sich unter anderem die neonazistischen Organisationen „Aktionsbündnis Nordfranken“, „Fränkischer Heimatschutz Coburg“, „Freie Kräfte Würzburg“, „Kameradschaft Ansbach“, „AB-Nordoberpfalz“, „Kameradschaft München“, „Nationales Bündnis Niederbayern“, „Freies Netz“ (Sachsen), „RNJ Vogtland“ (Plauen), „Vollstrecker Gera“, „Bruderschaft Hessen“, „Kameradschaft Oberes Elbtal“, „Deutsch-Böhmischer Freundeskreis“ und die „Ersthelfer“ sowie Mitglieder der „Wehrtroopers“/“Kameradschaft Mühldorf“, „Jagdstaffel D.S.T“, „Outsiders“ (München), „Sache des Volkes“, „Kameradschaft Geisenhausen“, „Freie Kräfte Schweinfurt-Haßberge“, „Freie Nationalisten Weißenburg-Gunzenhausen“, „Freie Nationalisten Erlangen-Höchstadt“, „Aktionsbund Freising“, des „Ring Nationaler Frauen“ und der NPD.

Block mit Aktivist_innen aus Münchner Gruppen, z. B. der 'Kameradschaft München' oder der 'Burschenschaft Danubia' in Hof.  Foto: Robert Andreasch
Block mit Aktivist_innen aus Münchner Gruppen, z. B. der ‚Kameradschaft München‘ oder der ‚Burschenschaft Danubia‘ in Hof. Foto: Robert Andreasch
Unter den Teilnehmenden sind führende Aktivist_innen der Szene, darunter die in den Kreisen des FNS wirkenden Martin Wiese (Reichersdorf), Pierre Pauly („Kameradschaft München“, „Burschenschaft Danubia“, München), Stella Ruff (Fürth), Daniel Weigl (Wackersdorf), Vanessa Becker („Kameradschaft München“), Karl Heinz Statzberger („Kameradschaft München“, Markt Schwaben), Roy Asmuß (Teising), Stefan Friedmann (Ex-„Nationales Augsburg“, Bad Wörishofen), Stefan Willi Reiche („Jagdstaffel D. S. T., Geretsried) und Heiko Schiederer („Nationales Bündnis Niederbayern“).
Uwe Meenen (l.) als Redner, neben ihm FNS-Führungskader Matthias Fischer.  Foto: Timo Mueller
Uwe Meenen (l.) als Redner, neben ihm FNS-Führungskader Matthias Fischer. Foto: Timo Mueller
Außerdem sind Anti-Antifa-Aktivist Lorenz Maierhofer (Miesbach), Martin Aas (bisher „Anti-Antifa Nürnberg“), Kerstin Sager (Landesvorsitzende des „Ring Nationaler Frauen“), Heidrich Klenhart (NPD Oberpfalz, Postbauer-Heng), Vince Herczeg (München), Sven Grams („Outsiders“, München) sowie die führenden sächsischen Neonazis Rico Doehler („RNJ Vogtland“, Plauen), Maik Müller, Patrick Fischer, Frank Rohleder (NPD, Dresden) sowie Christian Müller vom neonazistischen Videoportal „Volksfront-Medien“ nach Hof gekommen.

Fronttransparent des 'Freien Netz Süd' mit Uwe Meenen (l.), Rainer Biller (m.) und Jürgen Schwab (r.).  Foto: Robert Andreasch
Fronttransparent des ‚Freien Netz Süd‘ mit Uwe Meenen (l.), Rainer Biller (m.) und Jürgen Schwab (r.). Foto: Robert Andreasch
Eine Auftaktkundgebung gibt es nicht. Die Aufstellung zum Aufmarsch ist (mit einer halben Stunde Verspätung) um 13.30 Uhr im menschenleeren Industriegebiet hinter dem Bahnhof. Das Fronttransparent („Zeitarbeit abschaffen!“ – Freies Netz Süd“) tragen Uwe Meenen (zuletzt Berlin), Macher des zu den Strukturen des FNS gehörenden „Bund Frankenlands“, der Ex-NPD- bzw. Ex-BIA-Aktivist Rainer Biller und FNS-Aktivist Jürgen Schwab (beide Nürnberg). Dahinter folgen drei Trommler mit Landsknechttrommeln und ein „Fahnenblock“ ausschließlich mit Fahnen, auf denen ein Schwert mit einem Hammer gekreuzt abgebildet ist – ein ehemaliges Gaufeldabzeichen der Hitlerjugend.

NS-Verherrlichung in Hof.  Foto: LS
NS-Verherrlichung in Hof. Foto: LS
Viele Neonazis sind mit den roten Kampagnen-T-Shirts des FNS uniformiert, ein beachtlicher Teil trägt jedoch bewusst wieder die roten T-Shirts der im Jahr 2004 verbotenen „Fränkischen Aktionsfront“ (FAF): „Arbeit adelt – Unser Sozialismus ist national“. In den Bekleidungsaufdrucken vieler Teilnehmender dominiert eine Verherrlichung der Gewalt und des Nationalsozialismus: „Schwarze Sonne“-Symbole der SS, Abbildungen von Reichsadlern, SA-Männern und Wehrmachtssoldaten werden genauso präsentiert wie der Zahlencode „88“ (für „Heil Hitler“) und eindeutige Parolen: „Wir bleiben braun“ und „Eure Galgen sind schon gezimmert“.
Mit T-Shirt der rechten Terrororganisation 'Combat 18' beim Aufmarsch in Hof.  Foto: Robert Andreasch
Mit T-Shirt der rechten Terrororganisation ‚Combat 18‘ beim Aufmarsch in Hof. Foto: Robert Andreasch

Selbst T-Shirts der rechtsterroristischen Organisation „Combat 18“ werden – von der Polizei ungeahndet – beim Aufmarsch getragen.

FNS-Aktivist Jürgen Schwab spricht auf der Zwischenkundgebung.  Foto: Robert Andreasch
FNS-Aktivist Jürgen Schwab spricht auf der Zwischenkundgebung. Foto: Robert Andreasch
Fast vier Stunden lang dauert der Aufmarsch, der durch von der Polizei weitgehend abgeriegelte Stadtviertel führt. Als Redner bei Zwischen- und Abschlusskundgebungen treten Jürgen Schwab, Uwe Meenen, Robin Siener, Matthias Fischer und die tschechische Nationalistin Lucie Šlégrová (Most) auf, bis Herbst 2011 stellvertretende Vorsitzende der „Dělnická mládež/“Arbeiterjugend“.

Matthias Fischer (l.), Anmelder Norman Kempken (m.) und Rechtsanwalt Frank Miksch (r.) an der Aufmarschspitze.  Foto: Robert Andreasch
Matthias Fischer (l.), Anmelder Norman Kempken (m.) und Rechtsanwalt Frank Miksch (r.) an der Aufmarschspitze. Foto: Robert Andreasch
Den Aufmarsch hat Norman Kempken angemeldet. Zusammen mit Matthias Fischer und Rechtsanwalt Frank Miksch (beide Fürth) läuft er an der Spitze des Zuges. Kai Andreas Zimmermann (Fürth) gibt die Parolen aus dem bei Europcar angemieteten Lautsprecherfahrzeug vor, z. B. „Das System ist am Ende – Wir sind die Wende“ und „Nationaler Sozialismus jetzt, jetzt, jetzt“. Manche Blöcke rufen „Deutsche macht Euch frei von der Juden-Tyrannei“, andere grölen gleich halbstundenweise „Antifa-Hurensöhne“.

Als „Ordner“ eingesetzt sind unter anderem die FNS-Kader Thomas Huber („Kameradschaft München“) und Mike Edling (Landau), Ihrer „Ordnerfunktion“ kommen sie dabei zumeist nicht nach, stattdessen geht es ihnen darum, eine Medienberichterstattung am Rande des Marsches zu verhindern. Zusätzlich zu den „Ordnern“ sind weitere Neonazis und Anti-Antifa-Aktivisten eingeteilt, die gezielt den ganzen Tag über versuchen, Medienvertreter_innen in ihrer Arbeit zu behindern, zu schubsen, Fotografen zu bedrohen, zu beschimpfen, Objektive zuzuhalten oder zu verdecken etc.

Neonazis versuchen stundenlang, Medienvertreter_innen einzuschüchtern und zu behindern.  Foto: Timo Mueller
Neonazis versuchen stundenlang, Medienvertreter_innen einzuschüchtern und zu behindern. Foto: Timo Mueller
Teilweise kommt es dabei auch zu tätlichen Übergriffen, zu Anspucken und zum Beschmieren von Kameraobjektiven. Unter anderem die FNS-Kader Michael Reinhardt („Anti-Antifa Nürnberg“), Matthias Bauerfeind („Kameradschaft Main-Spessart“), Thomas Schatt („Kameradschaft München“), sowie Martin B. („Freie Nationalisten Weißenburg – Gunzenhausen“) und Sascha Kudernatsch („Freie Nationalisten Erlangen-Höchstadt) tun sich bei Aktionen gegen Pressefotograf_innen besonders hervor.
Michael Reinhardt (Anti-Antifa-Nürnberg) geht aggressiv gegen einen Pressefotografen vor.  Foto: Robert Andreasch
Michael Reinhardt (Anti-Antifa-Nürnberg) geht aggressiv gegen einen Pressefotografen vor. Foto: Robert Andreasch
Der polizeilichen Pressebetreuung, der polizeilichen Einsatzleitung und den meisten der eingesetzten Beamt_innen ist dies völlig egal, sie schreiten nicht ein – was die Neonazis noch zusätzlich anstachelt.

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