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Fürth: Neonazis als „Bürgerinitiative“

Stella Ruff als ordnerin beim FNS-Aufmarsch in Schweinfurt 2010.  Foto: Robert AndreaschIn loser Artikelfolge wollen wir in Zukunft diejenigen neonazistischen Gruppierungen näher beleuchten, die sich im Kameradschaftsdachverband „Freies Netz Süd“ (FNS) in Bayern zusammengeschlossen haben. Den Anfang macht ein Bericht über eine regelrechte Tarnorganisation des FNS in Fürth: die „Bürgerinitiative soziales Fürth“ (BSF).

Rassistische Flugblattpropaganda

„Ausländergewalt in Fürth“. Das in Fürth verteilte Flugblatt ist in knalligem Grün gestaltet. Auch die plumpen, rassistischen Phrasen sind plakativ gehalten: Von einer „ausufernden Gewalt sogenannter ausländischer Mitbürger gegen Deutsche“ ist die Rede und davon, dass diese „Inländerfeindlichkeit“ durch „die etablierte Politik“ gefördert werde. Herausgegeben wurde das Flugblatt von der „Bürgerinitiative soziales Fürth“ (BSF).

Das Flugblatt erscheint gewissermaßen „in eigener Sache“. Anlass für die Verteilaktion ist eine Auseinandersetzung in den frühen Morgenstunden des 10. Septembers 2011 in der Fürther Innenstadt, an der drei Neonazis und ein jugendlicher Migrant beteiligt waren. Zwei Neonazis wurden dabei schwer verletzt. Daniel H., der in der Vergangenheit mehrfach durch äußerst rassistische und nationalistische Äußerungen aufgefallen ist, war damals Aktivist der „Bürgerinitiative Soziales Fürth“ und des „Freien Netz Süd“ (FNS). Mittlerweile wurde er wegen andauernden Alkoholexzessen und „unpolitischen“ Prügeleien aus dem FNS ausgeschlossen. Auch Benjamin H. ist damals Aktivist des größten süddeutschen Neonazinetzwerkes. Diese Verbindung einer angeblichen „Bürgerinitiative“ zum bayernweiten neonazistischen Kameradschaftsverbund ist nicht verwunderlich: Bei der BSF handelt es sich ganz offensichtlich um eine Tarnorganisation des „Freien Netz Süd“, in dem alle ihre AktivistInnen zugleich organisiert sind.

Neonazis als Bürgerinitiative

Die Fürther Neonazis haben sich Anfang des Jahres 2009 dafür entschieden, nicht als Orts- oder Kreisverband der NPD und auch nicht unter dem Label einer „Freien Kameradschaft“ an die Öffentlichkeit zu gehen, sondern ihre menschenverachtenden Inhalte als vermeintliche „Bürgerinitiative“ zu verbreiten. Mit einem angestrebten seriöseren Image soll eine breitere Zielgruppe angesprochen werden. „Bürgerinitiative“ klingt zudem, deswegen ist das eine beliebte Eigenbezeichnung auch bei rechtspopulistischen Gruppen, nach kritischem Engagement und sinnvollen Einsatz.

Die bisher erschienenen fünf Flugblätter der BSF haben mit einem „bürgerlicheren“ Auftreten jedoch überhaupt nichts zu tun. Thematisch widmet sich die BSF fast ausschließlich einem angeblichen „linken Terror“ oder sogenannter „Ausländergewalt“. In nationalsozialistischer Diktion wird beispielsweise im Pamphlet „Volksgemeinschaft statt Multikultur“ gegen MigrantInnen gehetzt: „Aber nicht nur die Ausländer, die sich zunehmend ins soziale Netz fallen lassen, belasten die städtischen Kassen, sondern auch die Ausländerbeschäftigung generell richtet sich gegen die Interessen der deutschen Arbeitnehmer.“ Auch der Titel des Flugblatts ist nicht zufällig gewählt. Die „Volksgemeinschaft“ war der Leitbegriff der nationalsozialistischen Propaganda, die aus der deutschen „Volksgemeinschaft“ ausgeschlossenen Nicht-Arier, Jüdinnen und Juden, Behinderte, Homosoexuelle und all jene, deren Weltanschauung nicht mit derjenigen der NSDAP übereinstimmte, wurden verfolgt und vernichtet.

Antisemitische Propaganda

Am Ende des „Volksgemeinschaft statt Multikultur“-Flugblatts nehmen die Neonazis Bezug auf die judenfeindliche Verspottung Fürths im 19. Jahrhundert als „fränkisches Jerusalem“: „Wir sagen Nein zu Ausländerkriminalität und Verdrängung von Deutschen aus ganzen Stadtteilen. Wir wollen kein ‚fränkisches Ankara‘ werden.“ heißt das bei der „Bürgerinitiative Soziales Fürth“. Die Bezeichnung „fränkisches Jerusalem“ taucht bei der BSF jedoch ebenfalls auf, nämlich in zwei auf der BSF-Homepage veröffentlichten Artikeln gegen einen Erweiterungsbau für das jüdische Museum in Fürth.

In antisemitischer Manier hetzen die Neonazis dabei im Juli 2011 über eine „mediale Klagemauer“, über die „Klagelieder der jüdischen Museumsleiterin“ und gegen private Spender_innen: „den Krokodilstränen von Angehörigen einer einst in Deutschland verfolgten Minderheit können sie nur selten widerstehen“. Veranstaltungen des jüdischen Museums erklären die Neonazis zu, O-Ton BSF, „kulturfremden Angeboten“: „Eine Notwendigkeit das jüdische Leben hier noch weiter zu etablieren sieht der deutsche Fürther Bürger ebenfalls nicht“. Wie im Nationalsozialismus stellt die BSF also die Fürther Jüdinnen und Juden den „deutschen Bürgern“ als das „Andere“ gegenüber. Schon im Mai hatten die BSF-Neonazis in einem Artikel einen Interessensgegensatz zwischen jüdischem Leben und „Deutschen“ behauptet: „Offensichtlich ist das jüdische Leben in Fürth den Stadtoberen – allen voran SPD-Bürgermeister Jung – viel wichtiger, als die Interessen der deutschen Familien in der Kleeblattstadt.“

BSF und FNS

Es gibt viele personelle Überschneidungen zwischen den Macher_innen der „Bürgerinitiative Soziales Fürth“ und dem „Freien Netz Süd“:

Sascha Rudisch als Ordner beim FNS-'Frankentag' in Geschwand 2010.  Foto: Robert Andreasch
Sascha Rudisch als Ordner beim FNS-‚Frankentag‘ in Geschwand 2010. Foto: Robert Andreasch
Bis Ende 2010 war beispielsweise der mehrfach vorbestrafte Sascha Rudisch der presserechtlich Verantwortliche für die Publikationen der BSF. Der auch im FNS mit Aufgaben betraute Rudisch, bis dahin einer der aktivsten Neonazis im Raum Nürnberg und an mehreren Übergriffen gegen Antifaschist_innen beteiligt, tauchte 2011 nach internen Streitereien im FNS aus der aktiven „Politik“ ab und zog von Fürth nach Nürnberg zu seinem Bruder.

Peter Rausch, führender Kopf der fränkischen Neonaziszene und derzeit wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt, gehörte ebenfalls zum Aktivist_innenstamm der BSF. Auch bei einer Flyerverteilung von BSF-Propagandamaterial hatte der als gewalttätig bekannte FNS-Aktivist Rausch einmal auf Antifaschist_innen eingeprügelt.

Mittlerweile benennt die BSF den Nürnberger Anti-Antifa-Aktivisten Sebastian Schmaus, Stadtrat der „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ (BIA), als presserechtlich Verantwortlichen sowohl auf Flugblättern als auch für die Internetseite der BSF. Schmaus gehört zu den bekanntesten Aktivist_innen des „Freien Netz Süd“, für das er als Redner fungierte und für Publikationen presserechtlich verantwortlich zeichnete. Bei einem Prozess am 9. November 2011 wurde Schmaus vom Vorwurf der „Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole“ freigesprochen. Die Richter hatten es nicht als erwiesen angesehen, dass Propagandamaterial der FNS-Kampagne „Die BRD ist ein Irrenhaus und du sitzt mittendrin“, für die Schmaus „Verantwortlicher im Sinne des Presserechts“ war, eine Verunglimpfung des Staates darstellen.

Anti-Antifa

Auch im Rahmen einer Anti-Antifa-Aktion des „Freien Netz Süd“ gegen das „Bunt statt braun“-Konzert in Langenzenn im Landkreis Fürth wurde die BSF aktiv. So verschickte sie einen „offenen Brief“ an etliche Stadtratsmitglieder, Polizeidienststellen und an das evangelische Pfarramt Langenzenn. In diesem forderte sie, das antifaschistische Festival abzusagen. Schließlich sei dort eine Band angekündigt worden, die auf der vom „bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz“ und der „Landeszentrale für politische Bildung“ betriebenen Internetpräsenz „Bayern gegen Linksextremismus“ als „linksextremistisch“ bezeichnet wird. Der vierseitige Brief wurde von der FNS-Kaderin Stella Ruff (Fürth-Vach) unterzeichnet. Ruff ist seit über 10 Jahren in der Neonaziszene aktiv. Sie agiert viel im Hintergrund und ist bei neonazistischen Events, wie dem Aufmarsch am Volkstrauertag (November 2011) in Wunsiedel oder dem Rechtsrockfestival des „Freien Netz Süd“ („Frankentag“) für die Verpflegung der extrem rechten Teilnehmer_innen zuständig. Zudem fungiert Ruff auf größeren Demonstrationen als Anmelderin, wirkt als Ordnerin (siehe Bild oben) oder betreut den Infostand des FNS.

Kai Zimmermann als Ordner beim Aufmarsch am 25. September 2010 in Schwandorf.  Foto: Robert Andreasch
Kai Zimmermann als Ordner beim Aufmarsch am 25. September 2010 in Schwandorf. Foto: Robert Andreasch
Kai-Andreas Zimmermann, Anti-Antifa-Aktivist und einer der führenden Köpfe des „Freien Netz Süd“, ist ebenfalls für die „Bürgerinitiative Soziales Fürth“ aktiv. Zimmermann wurde im Mai 2011 zu einer Haftstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt und im Gefängnis, bevor er eine Haftverschiebung erreichen konnte, von der wenig später verbotenen „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige“ (HNG) auf ihrer Liste geführt. Zimmermann hatte zusammen mit den FNS und BSF- Aktivisten Andreas B. und Andreas R. eine Gruppe von Antifaschist_innen gejagt und einen Antifaschisten mehrmals getreten, als dieser auf dem Boden lag. Der ebenfalls an der Tat beteiligte Halbbruder von Andreas B., Sven S., sagte vor Gericht aus, dass sich alle an dem Übergriff Beteiligten einige Tage später im Wohnhaus von Matthias Fischer (in dem auch Kai Zimmermann gemeldet ist) getroffen hätten. Zimmermann habe dort mitgeteilt, dass er „dafür nicht in den Knast“ gehen werde. Die beiden Neonazi-Anwälte Frank Miksch (Fürth) und Stefan Böhmer (Erlangen) scheiterten mit dem Versuch, für Zimmermann eine Bewährungsstrafe rauszuholen.

Veranstaltungen

Am 21. August 2009 lud die BSF unter konspirativen Umständen zu einem Vortrag von Jürgen Schwab in eine Fürther Gaststätte ein. Schwab, Hauptaktivist der „nationalrevolutionären“ Organisation „Sache des Volkes “ (SdV) und als Redner, Theoretiker und häufiger Autor beim „Freien Netz Süd“ tätig, referierte dort vor etwa 20 Neonazis über das Verhältnis der NPD zu den freien nationalen Strukturen.

Die BSF tritt ansonsten mit ihren Aufklebern und vor allem mit flächendeckenden Flugblattverteilungen in Erscheinung. Zudem organisiert sie auch Feste. Das sogenannte „Sommerfest 2009“ der BSF belegte einmal mehr, dass es sich bei der vermeintlichen „Bürgerinitiative“ mitnichten um ein Treffen normaler Bürger_innen handelt. Neben dem bekannten Nürnberger Anti-Antifa-Aktivisten und FNS-Kader Norman Kempken, neben Peter Rausch und Sebastian Schmaus waren lediglich weitere Neonazis aus dem Umfeld des FNS zu sehen.

Kommunalwahl 2014

Im Jahr 2008 hatten die heutigen FNS/BFS-Aktivist_innen als NPD-Liste (Spitzenkandidat_innen damals: Matthias Fischer und Stella Ruff) schon einmal an der Kommunalwahl teilzunehmen versucht. Es gelang ihnen damals jedoch nicht, überhaupt die benötigten dreihundert Unterschriften für den Wahlantritt zu sammeln. Bei den kommenden Wahlen im Frühjahr 2014 wollen sie es mit der Tarnorganisation „Bürgerinitiative Soziales Fürth“ erneut versuchen.

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