Dieser Artikel wurde am 2. März 2006 vom antifaschistischen rechercheteam nordbayern (art-nb) auf indymedia veröffentlicht.
Neonazi-Strukturen in Wunsiedel
Das beschauliche kleine Örtchen in Oberfranken macht wieder einmal Schlagzeilen und wie zu erwarten natürlich keine guten! Nicht genug, dass seit August 2001 erneut der sog. „Rudolf-Heß-Gedenkmarsch“ in der Festspielstadt Wunsiedel stattfindet, sieht sich inzwischen die gesamte Region einer gut organisierten und vernetzten Naziszene ausgesetzt.
Im August 2001 fand nach fast 10 Jahren die europäische Naziszene erneut den Weg nach Wunsiedel, um ab jetzt alljährlich den Hitler-Stellvertreter und verurteilten Kriegsverbrecher Rudolf Heß zu ehren. In den ersten Jahren der Aufmärsche sehen sich regionale Antifas auf sich allein gestellt, so dass es zu keinem nennenswerten Protest kommt.
Dies wird etwas anders, als sich 2003 das bundesweite Bündnis „NS-Verherrlichung stoppen“ gründet. 2005 wird die Nazidemo erst mal verboten, um 2006 darüber zu entscheiden ob die aktuellen Gesetzesverschärfungen auf Wunsiedel anwendbar sind. Die Stadt feiert ihren „Sieg“ gegen die Radikalen und Extremisten, gleichzeitig findet eine entschlossene antifaschistische Demo mit 2000 Teilnehmern statt.
……, but in 2005 things went really bad!
Denn in und um die Festspielstadt Wunsiedel hat sich die bereits existierende Naziszene organisatorisch weit ausgebaut. Zu nennen wären hierbei das Dreikönigstreffen des NPD-Landesverbandes Bayern am 06.01.2005 in der Nähe von Wunsiedel mit etwa 80 Teilnehmern, die Gründung des JN-Stützpunktes Wunsiedel am 21.05.2005 oder diverse Liederabende bzw. Konzerte in einer Lokalität namens Lokalbahn. Für den schicken Nazi von heute darf natürlich ein Tattoo-Studio im Kaff nebenan nicht fehlen, in diesem Fall Hated and Proud Tattoos in Thierstein.
Außerdem fand am 04.09.2005 eine Wahlkampfdemonstration der NPD mit 150 Nazis in Wunsiedel statt, die als „Ersatzgedenkmarsch“ zu werten ist. Im Verlauf dieser Demonstration war zum ersten Mal ein Transparent mit der Aufschrift „Freie Kameradschaft Wunsiedel“ zu sehen.
Der neu gegründete „Kameradschaftsbund Hochfranken“ umfasst zwar nur die Kameradschaft Hof um Tony Gentsch aus Töpen und die Freie Kameradschaft Wunsiedel, jedoch ist auch er ein Zeichen für einen neuen Organisierungsgrad in dieser Region. So wurde über diesen ein Bus zur Nazidemo nach Dresden am 14.02.2006 arrangiert. Beide oben genannten Kameradschaften waren 2005 bundesweit an Nazidemos beteiligt wie am 05.03.2005 in Greiz oder am 08.05.2005 in Berlin.
Braune Brüder, Lokalbahn, Hate Train, Nazitattoos,….
Die Gaststätte Lokalbahn hat sich innerhalb der letzen Jahre zu einem Anlaufpunkt für Wunsiedler Nazis entwickelt und wird nun unter dem Slogan „Der neue nationale Szenetreff in Wunsiedel“ beworben. In der Lokalbahn finden neben Konzerten auch politische Veranstaltungen statt, wie zuletzt am 10.02.2006 mit Thomas „Steiner“ Wulff. Sie befindet sich direkt am Wunsiedler Busbahnhof und ist als überregionaler Treffpunkt von Nazis aus Bayern, Thüringen und Sachsen anzusehen. Konzerte wie demnächst am 04.03.2006 mit eindeutig faschistischen Bands wie DNA aus Gera laufen unter dem liebevollem Label „Hate Train Rolling“.
Der Laden mit den „anderen“ Tattoos ist in Thierstein nahe Wunsiedel, geführt von Manuel Oblier. Ein Blick auf die Galerie der Homepage genügt, um zu sehen, dass hier „mehr Service“ für den nationalen Deutschen geboten wird.Aber hier gibt’s nicht nur Nazitätowierungen sondern auch noch gleich ein passendes Outfit plus Musik. Ein richtiger Versandhandel eben.Apropos Musik, da gibt’s auch noch was und zwar die „Braunen Brüder„. Die sind auch schon mal in der Lokalbahn aufgetreten und auf ihrer Homepage gibt’s sogar Hörproben für den Ohrenkrebs.
Verhalten der Stadt
Spätestens seit dem Wiederaufleben der Gedenkmärsche in der Festspielstadt Wunsiedel ist die Stadtverwaltung äußerst bemüht, ihre Bürger zu Engagement gegen Extremismus zu bewegen sowie sich ein „Gegen-Nazis-Image“ zuzulegen. Dies gipfelte in einer Meile der Demokratie am Tag des Naziaufmarsches als auch in der Gründung einer Bürger- und einer Jugendinitiative. Auch dass der Wunsiedler CSU-Bürgermeister Karl Willi Beck 2004 medienträchtig an einer Sitzblockade gegen den Heß-Marsch teilnahm, wird diesem Umstand zu schulden sein.
Die Ohnmacht der Initiativen zeigt sich deutlich auf deren Veranstaltungen. Nazis sind regelmäßige Gäste, ab und zu laden sie sich auch mal Prominenz ein. So geschehen am 27.07.2005 als Sascha Rossmüller, Mitarbeiter der NPD-Fraktion im sächsischem Landtag, und der bayerische Landesgeschäftsführer Axel Michaelis eine Veranstaltung der Bürgerinitiative in der Wunsiedler Fichtelgebirgshalle zusammen mit regionalen Nazis besuchten. Bei anderen Veranstaltungen werden die Teilnehmer u.a. von Faschisten abfotografiert.
Antifaschistisches Rechercheteam Nordbayern (art-nb)
Internet: http://www.art-nb.de/