München. Nach einem Gottesdienst tritt um 18.00 Uhr in der katholischen Sankt-Peter-Kirche (bekannt durch den Turm „Alter Peter“) die ultrakonservative Publizistin Gabriele Kuby (Rimsting) auf. In den offiziellen „Pfarrnachrichten von Sankt Peter“ und auf Plakaten an der Kirchentür wird ihr Vortrag als „Katechese“ zum „Herz-Jesu-Freitag“ angekündigt. Mit einer „Katechese“, einer theologischen Einführung in die katholischen Glaubensgeheimnisse, hat das Referat von Kuby („Die Aufgabe der Christen im gegenwärtigen Kulturkampf“) nichts zu tun.
Schon mit der Wahl des Wortes „Kulturkampf“ im Veranstaltungstitel nimmt die Autorin der extrem rechten Wochenzeitung „Junge Freiheit“ einen zentralen Topos rechten Denkens auf: einen angeblich notwendigen „Kampf“ gegen eine Bedrohung. Kubys Referat ist, auch das ist typisch im rechten Diskurs, äußerst kulturpessimistisch geprägt („ein Kampf um das Wertefundament unserer Kultur“) und nimmt regelrecht apokalyptische Züge an, z. B. wenn sie sagt „Es bricht jetzt alles zusammen“. Kuby greift eine weitere Phrase extrem rechter Ideologie auf, wenn sie behauptet, dass „die Meinungsfreiheit immer weiter eingeschränkt wird, wenn wir von den Medien immer weiter in eine ganz bestimmte Richtung manipuliert, geprägt, gedrängt werden.“
Kuby äußert antifeministische Positionen, z. B. „Männer sind die großen Verlierer“ oder „Immer weniger gesunde Kinder gibt es in unserem Land. Sie werden in Massen getötet vor der Geburt. Die, die es schaffen, geboren zu werden, werden zunehmend in winzigem Alter, wo sie gerade beginnen, die ersten Schritte zu machen, abgegeben.“ Schließlich wird die Ansprache Kubys in der Münchner Traditionskirche zu einer homophoben Agitation: „Jetzt wird uns die neue Ethik, die sagt, jedes Sexualverhalten ist gleichwertig, aufgezwungen. Aufgezwungen in den Schulen (…) dass unsere Kinder von allen Jahrgangsstufen in allen Fächern konstant konfrontiert werden mit der Vielfalt sexueller Orientierungen und sexuellen Verhaltens und wir müssen das Alphabet neu lernen, nämlich L wie lesbisch, S wie schwul, B wie bisexuell, T wie transsexuell, T wie transgender, I wie intersexuell und als großer Sammelbegriff, in dem alles vereint ist, jede Spielart, jeder Abgrund menschlicher Sexualität, der Begriff ‚Queer‘.“
Klassisch rechte Diskursstrategien sind in Kubys Referat einerseits das Raunen, das lediglich Andeuten, das Sprechen im Passiv, andererseits die Täter-Opfer-Umkehr: Es würde, beklagt sie, „uns weisgemacht, es sei ein Menschenrecht, wenn diese kleinen und kleinsten Minderheiten Privilegien bekommen und ganz besonders geschützt werden, zum Beispiel vor ‚hatespeech‘, ‚Hassrede‘, auch neu erfunden als ein Straftatbestand.“
Schuld daran sei „’68“, eine klassische Chiffre der radikalen Rechten, die für deren Hass auf jegliche Liberalisierung steht. Aber auch die CSU/CSU-Bundesregierung wird von Kuby angegriffen: „Wir haben jetzt eine neue Regierung, die in ihrem Koalitionsvertrag festhält: sie wird kämpfen gegen Homophobie, ein neuer Begriff, und sie wird kämpfen gegen Transphobie. (…) Und es werden auf dieser Welt, unterschiedlich weit fortgeschritten in den Ländern, Gesetze gemacht, die Menschen kriminalisieren, die festhalten an dem, was bis vor kurzem noch gegolten hat und was das Fundament von unserer europäischen Kultur ist, die sich hier in dieser Kirche entfaltet.“ Schließlich kritisiert Kuby auch die Kirchen: „’68 ist weitergegangen. Es gab keinen nennenswerten Widerstand von uns Christen, es gab keinen nennenswerten Widerstand von den Kirchen (…) Anfang der 70er Jahre haben die Kultusminister beschlossen und die Kirchen zugestimmt, dass Sexualpädagogik in den Schulen stattfindet“.
Einen Teil des Vortrags nimmt, wie bei Kubys Auftritten üblich, ihr Eifern gegen gender-Theorien ein. „Dass wir Vater werden und dass wir Mutter werden, das wird systematisch in Frage gestellt, es gilt als Stereotypen, als ein Zwang, dem wir unterworfen sind“, regt sich Kuby über die Auflösung traditioneller Geschlechterbilder auf. Es sei „die Macht der EU dahinter, das zu zerstören, nicht nur der EU, auch der UN“.
In ihrer „Katechese“ bezieht sich Kuby zum Schluss positiv auf politisch extrem rechte Bewegungen einerseits und autoritäre Staaten andererseits: „es beginnt zu brodeln in Europa, es gibt Widerstand in vielen Ländern. (…) ‚Manif pour tous‘ in Frankreich, eine Massenbewegung, über eine Million mehrmals auf der Straße, die sagen, ‚Wir wollen nicht die Homoehe‘. (…) Es gibt in Russland einen einstimmigen Beschluss des Parlaments, dass es keine Homoagitation, sie formulieren das anders, keine Agitation geben darf, die Familienwerte zerstört, in den Schulen.“ Kuby empfiehlt an diesem Abend in der Pfarrkirche Sankt Peter das extrem rechts regierte Ungarn als Vorbild: Das Land habe sich „eine christliche Verfassung gegeben, nachdem das Volk mit Zweidrittelmehrheit eine Partei gewählt hat, die gesagt hat, wir beseitigen jetzt, wir wollen nicht mehr von den kommunistischen Netzwerken regiert werden. (…) Die Ehe darf nur zwischen Mann und Frau geschlossen werden“. Die ca. 2-300 Besucher_innen spenden dem knapp 45-minütigen Vortrag großen Applaus.