Der DGB-Kreisverband Rottal-Inn hatte von den potentiellen Nazi-Planungen jedoch Wind bekommen und zusammen mit dem Bündnis „Eggenfelden ist bunt“ bereits vor zwei Wochen präventiv Kundgebungen auf mehreren Plätzen in Eggenfelden organisiert. Trotz der letztlich kurzfristigen Mobilisierung protestieren am Bahnhofsplatz, Stadtplatz, Rathausplatz, Kirchplatz und Fischbrunnenplatz gut 150 Menschen drei Stunden lang gegen Rassismus und Ausgrenzung. Unter ihnen sind Vertreter_innen antifaschistischer Initiativen, der Parteien und auch Landrat Michael Fahmüller.
Der Vorsitzende des FDP-Kreisverbandes Rottal-Inn, Florian Wassermann (Bayerbach), will sich nicht gegen die Neonazikundgebung engagieren. In einer u. a. an das lokale „Wochenblatt“ verschickten Erklärung schreibt Wassermann im Vorfeld, bei der Gegenveranstaltung schwinge „der fade Beigeschmack der Intoleranz“ mit und „zu einem gesunden Demokratieverständnis gehört es also auch, Kundgebungen und Meinungsäußerungen von Personen zuzulassen, deren Weltanschauungsbild man nicht teilt“. Doch es kommt noch schlimmer: Die demokratischen Proteste der Gewerkschaften setzt Wassermann in seiner Mitteilung zuerst mit der Kundgebung der Neonazis aus dem „Freien Netz Süd“ gleich und wünscht dann provozierend „beiden Veranstaltungen ein gutes Gelingen, und regenfreie Stunden in unserem wunderschönen Landkreis Rottal-Inn“.
Stefan Willi Reiche (Geretsried), einer der führenden Aktivisten der Kameradschaft „Jagdstaffel D.S.T“, kümmert sich um die Tonanlage. Ein Logo mit „Jagdstaffel“-Abkürzung ziert als Tattoo seinen Hals. Die Gruppe, gegen die derzeit ein Ermittlungsverfahren wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ anhängig ist, will sich angeblich im Juli aufgelöst haben. Thomas Schatt (München), führender Aktivist der Szene in München, filmt mit einer Videokamera Kundgebung und die anwesenden Journalist_innen ab.
Karl-Heinz Statzberger (Markt Schwaben) wiederholt seine bereits bei der Burghausener Kundgebung gehaltene Rede von der „amerikanischen Ostküste“ und dem „Genozid am deutschen Volk“. „Besatzerkinder“ seien der erste Schritt zur Ausrottung des deutschen Volkes gewesen, die Emanzipation von Frauen und Mädchen sei „ein Fluch“ und „dieses System“ ein „Irrenhaus“, so der führende Aktivist der „Kameradschaft München“ bzw. des Neonazi-Dachverbands „Freies Netz Süd“. Bei der Behauptung „die Demokraten wollen den Volkstod“ überschlägt sich seine Stimme. Zum Abschluss animiert der kinderlose Neonazi die Umstehenden, die Parole „Widerstand, rettet die Familien“ zu skandieren.
Auch der oberpfälzische Neonaziaktivist Robin Siener („Bürgerinitiative Soziale Alternative Oberpfalz“) tritt ans Mikrofon. Seinen neonazistischen Phrasen vom „Volkstod“ fügt er bemerkenswerte „Begründungen“ bei: mangelnder Kirchenbesuch in Bayern beispielsweise sei ein Anzeichen und „der Verlust der Kultur“ zeige sich, so der gebürtige Frankfurter, an den „Phantasiedirndl(n) auf dem Oktoberfest“.
Nach den vier Redebeiträgen und etwas Rechtsrock vom Band beenden die Neonazis ihre Veranstaltung nach knapp eineinhalb Stunden. Siehe auch: www.wochenblatt de vom 24. und 25. August 2012.