München/Murnau. Eine Kammer des Landgerichts in München stellt wegen eines Formfehlers ein Verfahren gegen Matthias Polt (32) ein, den Betreiber des Neonaziladens und Onlineversands „Versand der Bewegung“ in Murnau. Polt ist wegen Volksverhetzung (§130 StGB) in 38 Fällen angeklagt, denn er soll in 37 Fällen CDs der Neonazibands „Kraftschlag“, „08/15“, „In Tyrannos“ und „Gigi und die braunen Stadtmusikanten“ verkauft haben, obwohl sie volksverhetzende und gewaltverherrlichende Texte beinhalten. Außerdem habe er eine – ebenso strafbare – CD der Neonaziband „Freibeuter“ zum Verkauf vorrätiggehalten.
Auf der von Polt angebotenen CD „Adolf Hitler lebt“ von Daniel Giehse alias „Gigi und die braunen Stadtmusikanten“ ist u. a. der Song „Döner-Killer“ enthalten, in dem die Morde des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) abgefeiert werden: „Neun mal hat er es jetzt schon getan. Die SoKo Bosporus, sie schlägt Alarm. (…) Bei allen Kebabs herrschen Angst und Schrecken. Der Döner bleibt im Halse stecken, denn er kommt gerne spontan zu Besuch, am Dönerstand, denn neun sind nicht genug.“ Der nächste Track ist dann „Bis nach Istanbul“, in dem es heißt: „Der Abschiebemann macht Kontrollen. Auch die gute alte Reichsbahn soll mit Volldampf rollen. Heute fährt die Reichsbahn bis nach Istanbul. Ab Köln und Düsseldorf, vorbei am Kaiserstuhl. (…) Viele haben’s noch nicht begriffen, viele sind entsetzt. Doch das ist das neue Rückführungsgesetz.“
Das heutige Verfahren ist ein Berufungsprozess: Am 1. Dezember 2011 hatte eine Strafkammer des Amtsgerichts Garmisch-Partenkirchen Polt noch zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt (die Haftstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt). Nach wenigen Minuten folgt die Landgerichtskammer jedoch der Argumentation von Polts szenebekanntem Verteidiger André Picker (Bochum/Dortmund), hebt das Amtsgerichtsurteil auf und stellt das Verfahren ein. Ein formaler Fehler der Staatsanwaltschaft München II ist dafür verantwortlich: In ihrer Anklageschrift und dem Eröffnungsbeschluss des AG Garmisch-Partenkirchen war nur auf die in der Prozessakte vorhandenen strafbaren Liedtexte mit Quellenangabe verwiesen worden. Zumindest die „Kernsätze“, die dem Tatvorwurf zugrundeliegen, hätten jedoch in Klageschrift und Eröffnungsbeschluss noch einmal gesondert aufgeführt werden müssen.
Matthias Polt gab vor dem Amtsgericht einen monatlichen Reingewinn von 800 bis 1000 Euro aus seinem Versand- und Ladenverkauf an. Formal ist der „Versand der Bewegung“ auf seine Lebensgefährtin Sarah Janker eingetragen, da der wegen gemeinschaftlich begangenen Betrugs und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen vorbestrafte Polt nach einer Privatinsolvenz kein Gewerbe betreiben darf. Die Staatsanwaltschaft München kündigt nach dem Prozess eine neue Klageschrift gegen Polt an.