Nürnberg: Gegen ca. 16.30 Uhr wird der 49-jährige Abdurrahim Özüdoğru in seinem Geschäft an der Ecke Gyulaer Straße/Siemenstraße von Neonazis des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ (NSU) ermordet. Bis kurz vor 14.00 Uhr hat der Metallfacharbeiter Özüdoğru als Maschinenführer bei Diehl gearbeitet. Nun begibt er sich noch in seine kleine Näherei. Gegen ca. 16.30 Uhr betreten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt das von außen nicht zu erkennende Geschäft. Beide schießen Özüdoğru in den Kopf, es ist eine regelrechte Hinrichtung, und fotografieren den Sterbenden. Das Foto wird später im sog. Bekennervideo des NSU auftauchen, versehen mit einem zynischen, rassistischen Kommentar. Gegen 21.25 Uhr wird der Leichnam von Abdurrahim Özüdoğru von einem Passanten entdeckt.
Abdurrahim Özüdoğru wurde am 21. Mai 1952 im türkischen Yenisehir geboren. 1972 zog er mit einem Stipendium nach Deutschland und begann ein Maschinenbaustudium an der Universität in Erlangen. Er hinterlässt eine Tochter.
Die Polizei ermittelt nach dem Mord entlang rassistischer Arbeitshypothesen – gegen Özüdoğru, seine Familie und sein Umfeld. Beamt_innen durchsuchen seine Wohnung zum Beispiel mit Drogenspürhunden.
Die Gruppe „NSU-Komplex auflösen Jena“ zitiert Tülin Özüdoğru, die Tochter von Abdurrahim Özüdoğru: „Ich glaube nicht mehr recht an die versprochene Aufklärung aller Hintergründe und Umstände. Man hat die Opfer nicht geschützt. Es wurden schwere Fehler bei den Ermittlungen gemacht, aber ich kann sie bis heute nicht zuordnen. Ich sehe niemanden, der persönlich für diese Fehler geradestehen würde. (…) Manchmal frage ich mich: Fehlt die Möglichkeit zur Aufklärung oder der Wille?“
Als Nebenklägerin im NSU-Prozess wurde sie von Rechtsanwalt Ferhat Tikbas vertreten. In seinem Plädoyer im Dezember 2017 führte er unter anderem aus: „Wie skrupellos und vor allem gezielt das Trio vorgegangen ist, zeigt, dass bereits bei der ersten Hinrichtung das Opfer fotografiert wurde. Dies lässt den Schluss zu, wie organisiert und professionell vorgegangen wurde.“ Es sei nichts dem Zufall überlassen worden, so Tikbas, er persönlich sei daher der Auffassung, dass die Opfer nicht zufällig ausgesucht worden sind: „Vielmehr bin ich der Meinung, dass hier ortskundige Personen, Helfer im Vorfeld Ziele nach bestimmten Vorgaben ausgesucht und diese weitergeleitet haben.“ Das In-Umlauf-Bringen der DVDs sei mindestens genauso schrecklich gewesen, wie das Abdrücken der Waffe: „Weil man hier den Hinterbliebenen nochmal klar gemacht hat, wie viel Wert das jeweilige Leben, Opfer aus Sicht des Trios hatte, nämlich keinen. Die Hinterbliebenen sollten Jahre später nochmal gedemütigt und erniedrigt werden.“
Quellen:
Hannah Zimmermann und Gabriel Liebetrau (Projekt Offener-Prozess – ASA-FF e.V.) und BiLaN: Wer waren die Opfer? Chronologie des NSU-Komplexes
BIrgit Mair (ISFBB): Die Opfer des NSU und die Aufarbeitung der Verbrechen. Begleitband zur Ausstellung, 4. Auflage (2018)
NSU Komplex auflösen Jena: Kein Vergeben, kein Vergessen – zum Gedenken an
(Online unter https://nsukomplexaufloesenjena.noblogs.org/gedenken/kein-vergessen-kein-vergeben-zum-gedenken-an-abdurrahim-ozudogru/)
NSU-Watch: Bericht vom 401. Verhandlungstag (21.Dezember 2017) im NSU-Prozess München
(Online unter https://www.nsu-watch.info/2017/12/zusammenfassung-des-401-verhandlungstag-21-dezember-2017/)