Olaf Sundermeyer arbeitet in diesem Buch die Geschichte des Rechtsterrorismus in Deutschland seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs auf. Er beschreibt, wie sich, verursacht durch rassistisches und nationalistisches Denken, eine Spur rechter Gewalt durch die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und der DDR zog, die in der Aufdeckung des „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) einen vorläufigen Höhepunkt gefunden hat.
In der Einleitung geht Sundermeyer auf die Motive rechter Gewalt ein, auf ihre Wurzeln in der Geschichte und ihren Internationalismus. Er thematisiert auch das Versagen der staatlichen Organe bei der Aufdeckung rechter Gewalttaten, die oft genug nicht in einem politisch motivierten Zusammenhang gesehen werden. Ergebnis: hunderte rechtsextreme Angriffe werden von Polizei und Justiz nicht als solche wahrgenommen.
Das in drei Teile gegliederte Buch stellt im ersten Teil bekannte Rechtsterroristen vor, die Bombenanschläge, Banküberfälle, Polizistenmorde begingen und geht dann ausführlich auf die „Wehrsportgruppe Hoffmann“ und das Münchener Oktoberfestattentat ein. Breiter Raum ist auch den Wurzeln des Rechtsterrorismus gewidmet – vom Saalschutz der NPD über Kühnens ANS/NA zu den „Deutschen Aktionsgruppen“ Manfred Roeders. Deren Terroraktionen gipfelten in Brandanschlägen auf Asylbewerber_innenheime und auf von Migrant_innen bewohnte Häuser. Nach der Wende konnte sich der aufgestaute Rassismus in den neuen Bundesländern ungehemmt entfalten, die Pogrome in Hoyerswerda und Rostock waren trauriger Höhepunkt einer an Gewalt nicht armen Zeit zu Beginn der neunziger Jahre. Es werden zahlreiche Morde an Menschen begangen, die nicht in das Weltbild der Rechten passen. Die Politik weicht vor dem Mob der Straße zurück und ändert die Asylgesetzgebung.
In Teil zwei thematisiert der Autor einige der bekannt gewordenen Gewaltexzesse exemplarisch und es fällt dem/der Leser_in nicht leicht, ob der geschilderten Brutalität die Fassung zu bewahren. Fassungslos macht genauso der Umgang der Justiz mit den Gewalttaten (die oft genug nicht den rechtsextremen Hintergrund der Straftaten erkennt) wie auch der Rückzug des Staates aus den sogenannten „National befreiten Zonen“ und deren Akzeptanz durch die ortsansässigen Bürger, die keinerlei Probleme mit ihren Nazi-Nachbarn haben. Auf dem platten Land ist die Raumgewinnungsstrategie der Nazis stellenweise erschreckend erfolgreich. Nicht ganz so einfach haben die Nazis es in größeren Ballungsräumen, doch das Beispiel der „Autonomen Nationalisten“ macht deutlich, dass mit dem Strategiewandel der Nazis auch dort Freiräume für sie geschaffen werden können. Sundermeyer beschreibt in diesem Kapitel auch, wie Nazis durch das Besetzen von Themen wie Missbrauch von Kindern in die „politische Mitte“ eindringen können und ihre radikalen Forderungen („Todesstrafe für Kinderschänder“) übernommen werden. Ein eigenes Kapitel ist hier noch den Rechtsanwälten gewidmet, die Nazis verteidigen, teilweise derselben Szene zugehörig sind und ihre Klientel im Umgang mit Polizei und Justiz schulen.
Der dritte Teil des Buches befasst sich noch einmal mit dem NSU und der Aufklärungsarbeit der staatlichen Organe, legt dabei aber den Schwerpunkt auf ungeklärte Mordanschläge auf Personen, die in das Opferschema der Terroristen gepasst hätten. Auch die Verbindungen des NSU zu Aktiven aus dem NPD-Spektrum werden hier beleuchtet sowie der Niedergang der NPD zu Gunsten gewaltbereiterer, radikalerer Organisationsformen des Rechtsextremismus.
Letztendlich bleibt dem Autor nur das Fazit, dass der Verfassungsschutz beim Kampf gegen rechte Gewalt versagt hat. Höherer polizeilicher Verfolgungsdruck auf gewaltbereite Nazis in Verbindung mit einer Zivilgesellschaft und Politik, die an der Seite potenzieller Opfer stehen, würden dem aggressiv geführten Raumkampf der Nazis besser entgegenwirken.
Sundermeyer gibt einen hervorragenden Überblick über „eine Geschichte der Gewalt“, wie es im Untertitel bezeichnend heißt. Das Buch ist sehr detailreich, manchmal etwas verwinkelt strukturiert, aber auf jeden Fall lesenswert. Die geschilderte Gewalt ist teilweise erschreckend.
Olaf Sundermeyer: Rechter Terror in Deutschland. Eine Geschichte der Gewalt. Verlag C.H.Beck, München 2012, 271 S., 16,95 Euro, ISBN 9783406638442