11. April 2001
München. Drei weitere Verdächtige, die im Januar an einem Überfall auf einen Griechen im Schlachthofviertel beteiligt gewesen sein sollen, sind angeklagt worden. Dabei handelt es sich um drei Männer im Alter von 21, 24 und 29 Jahren. Einer davon soll nach seiner Festnahme im Gefängnis mit zwei Zellengenossen einen ebenfalls inhaftierten Skinhead zusammengeschlagen haben.
Gegen den mutmaßlichen Haupttäter Christoph Schulte (19 Jahre) und andere ist bereits zu einem früheren Zeitpunkt Anklage erhoben worden.
11. April 2001
Regensburg. Wie die Süddeutsche Zeitung meldet, nimmt die Bekleidungskette ‚Coloseum‘ T-Shirts mit dem Aufdruck ’88‘ aus ihrem Sortiment. Erst auf einen Hinweis von MitarbeiterInnen hatte die Firma bemerkt, dass 88 für zweimal den achten Buchstaben im Alphabet, also HH, steht und dies von RechtsextremistInnen als Code für ‚Heil Hitler‘ verwendet wird. Bis dahin hatte Coloseum ein Damen-Oberteil mit zwei aufgestickten Achten aus Glitzerpailletten vertrieben.
14. April 2001
Marktheidenfeld. Ein geplanter rechtsextremer Aufmarsch in der unterfränkischen Stadt wird zwei Tage zuvor verboten. Hauptredner der Veranstaltung unter dem Motto ‚Gegen Denunzierung und Kriminalisierung von Nationalisten‘ sollte der 38-jährige, in München lebende, freie Nationalist Michael Swierczek sein. Der Verfassungsschutz bezeichnet diesen als einen der führenden Köpfe der Freien Nationalisten in Bayern.
18. April 2001
Dachau. Ein 22-jähriger aus dem Landkreis Dachau wird zu einer Woche Dauerarrest verurteilt. Zudem muss er die Gerichtskosten tragen und 500 Mark an den Förderverein für Internationale Jugendbegegnung zahlen. Der derzeit Zivildienst leistende gehörte damals der rechten Skinheadszene an und hatte vom Frühjahr 1998 bis Herbst 1999 in Dachau 100 bis 150 CDs von rechtsextremen Bands wie Störkraft, Freikorps, Endstufe, Böhse Onkelz oder Zyklon B kopiert und verkauft.
18. April 2001
München. Vier Rechtsextreme grölen in der S-Bahn Nazi-Parolen und verprügeln einen Fahrgast. Die Jugendlichen im Alter von 17 bis 23 Jahren hatten in München Tickets für das Champions-League-Spiel verkauft und sich gegen 18:45 Uhr mit der S6 auf den Heimweg gemacht. An der Haltestelle Marienplatz begannen sie damit, ausländerfeindliche Parolen zu rufen und den Hitler-Gruß zu zeigen. Zwei dunkelhäutige Männer stiegen daraufhin aus der S-Bahn aus.
Ein 36-jähriger Lagerist aus München spricht die vier Männer aus Starnberg wegen ihres Verhaltens an und wird daraufhin von diesen verprügelt. Das Eingreifen weiterer Fahrgäste kann Schlimmeres verhindern. An der Haltestelle Hackerbrücke nehmen Grenzschutzbeamte die vier Schläger fest, gegen sie wird nun wegen Körperverletzung ermittelt.
19. April 2001
Gersthofen. Bürgermeister Siegfried Deffner hat ein Hausverbot für GymnasiastInnen für das lokale Stadtarchiv ausgesprochen. Damit hält er die SchülerInnen beispielsweise von Forschungen über ZwangsarbeiterInnen in der Region ab. Sein Argument: Er wolle das schutzwürdige Interesse Verstorbener wahren. Damit sind dann wohl die TäterInnen des NS-Regimes gemeint, denn die ehemaligen ZwangsarbeiterInnen wären wohl froh, würden die damaligen Praktiken ans Tageslicht kommen. Das Argument Deffners ist zudem wenig glaubwürdig, hat doch der Leiter des Augsburger Staatsarchivs sein Archiv zu diesem Zwecke SchülerInnen extra zugänglich gemacht.
Um den TäterInnen-Schutz hat sich Deffner auch früher schon verdient gemacht: Er hält die die autobiographischen Aufzeichnungen des Ehrenbürgers Georg Josef Wendlers unter Verschluss, der während des Dritten Reichs und auch danach Bürgermeister war.
20. April 2001
Nürnberg. Eine Gruppe von Skinheads nutzt die Gelegenheit des Nürnberger Volksfestes, um Hitlers Geburtstag zu feiern. Nach ZeugInnenaussagen haben die Rechtsextremen über die Kapelle ‚Andreas und allen, die heute Geburtstag haben‘ durchsagen lassen. Hitler wäre an diesem Tag 112 Jahre alt geworden. Der Festzelt-Wirt bestreitet den Vorfall.
21. April 2001
München. Ein 19-jähriger Zeitarbeiter wird wegen ausländerfeindlicher Parolen und Pöbelei am Ostbahnhof festgenommen. Er muss sich nun wegen Volksverhetzung verantworten.
21. April 2001
München. Ein offensichtlich von einem Polizisten verfasstes anonymes Schreiben macht Vorgänge bei der 1. Einsatzhundertschaft der Münchner Polizei öffentlich: Beamte sollen gezielt und schikanös AusländerInnen misshandeln, ihnen etwa scharf geschliffene Handschellen anlegen. In der Kaserne der Einheit in Milbertshofen soll außerdem Marschmusik aus der NS-Zeit gespielt worden sein und auch sonst rechtes Gedankengut gepflegt werden.
Im Laufe der Ermittlungen wird ein Beamter beurlaubt, gegen den nun wegen des Verdachtes der Volksverhetzung, Verwendung verfassungsfeindlicher Kennzeichen und Körperverletzung gegen Unbekannt ermittelt wird. Im Büro des 40-jährigen Oberkommissars waren vier Kassetten mit rechtsextremer Musik gefunden worden, die dieser offenbar nach einer Sicherstellung behalten hatte.
23. April 2001
München. Der Prozess gegen Anton Malloth, einen ehemaligen SS-Aufseher im Gestapo-Gefängnis ‚Kleine Festung Theresienstadt‘, wegen dreifachen Mordes und Mordversuchs, beginnt. Wegen des Zustandes des 89-jährigen Malloth findet der Prozess in der Justizvollzugsanstalt Stadelheim statt. Damit sollen ihm Hin- und Rücktransport erspart bleiben. Malloth sei jedoch verhandlungsfähig, wie ein Gutachter bestätigt hat.
23. April 2001
München. Der Prozess gegen den ehemaligen SS-Mann Anton Malloth vor dem Landgericht München I beginnt. Malloth war von 1940 bis 1945 Wachmann im Gestapo-Gefängnis Kleine Festung Theresienstadt. Malloth ist wegen zweifachen Mordes und versuchten Mordes angeklagt.
Im September 1943 soll er einen Häftling zuerst geschlagen und dann erschossen haben, weil dieser versucht haben soll, einen Blumenkohl zu stehlen. Ende September 1944 soll er einen jüdischen Gefangenen mit einem Holzstock erschlagen haben und im Januar 1945 habe Malloth erneut versucht (der Tod des Opfers konnte nicht nachgewiesen werden) Menschen zu töten. Da der 89-jährige angeblich an einem Speiseröhrentumor leidet und daher nur wenige Stunden am Tag verhandlungsfähig sei, findet der Prozess in der Justizvollzugsanstalt Stadelheim statt.
24. April 2001
München. Zweiter Verhandlungstag im Prozess gegen Anton Malloth: Das Gericht beleuchtet die Geschichte der Kleinen Festung Theresienstadt, wo Malloth einer von 17 Aufsehern unter Kommandant Heinrich Jöckel war. Jöckel ist nach dem Krieg in Leitmeritz zum Tode verurteilt und hingerichtet worden. Ein Zeuge sagt aus, dass einige der Wärter, darunter auch Malloth, damals versuchten, sich durch Quälen von Häftlingen bei ihrem Vorgesetzten beliebt zu machen.
In der Öffentlichkeit ist inzwischen die Unbefangenheit des richters Jürgen Hanreich bezweifelt worden. Hanreich ist in Aussig geboren und habe 1945 mit seiner Familie das Sudetenland verlassen müssen. Sein Vater war während des Krieges am Landgericht in Leitmeritz tätig.
24. April 2001
Augsburg. Die Stadt Augsburg verbietet eine für den 1. Mai geplante Demonstration der NPD unter dem Motto ‚Arbeit zuerst für Deutsche‘. Der Grund: die öffentliche Sicherheit sei gefährdet und das zum Tag der Arbeit gewählte Motto der NPD sei eine ‚juristisch schwerwiegende Provokation‘ der 44.000 in Augsburg arbeitenden AusländerInnen. Die Organisatoren hätten nichts getan, um gewaltbereite Skinheads von einer Teilnahme auszuschließen. Zudem habe sich herausgestellt, dass die Hälfte der von der NPD gemeldeten OrdnerInnen wegen Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole, Volksverhetzung, Verherrlichung von Gewalt, Landfriedensbruch, Körperverletzung und anderem vorbestraft sei. Ähnliche Kundgebungen plant die Partei in Essen, Berlin, Mannheim und Frankfurt. Ein breites Bündnis mobilisiert inzwischen gegen die Veranstaltung.
25. April 2001
Illertissen. Drei Türken müssen sich wegen gefährlicher Körperverletzung vor dem Amtsgericht Illertissen verantworten. Sie sollen beim Buchersee-Fest im letzten Sommer Skinheads angegriffen und teilweise schwer verletzt haben. Bei der Schlägerei an dem Baggersee Anfang September waren über 40 Jugendliche beteiligt gewesen. Ein 15-Jähriger aus Illertissen musste mit schweren Rückenverletzungen ins Krankenhaus eingeliefert werden.
26. April 2001
München. Die Polizei durchsucht die Wohnung eines 17-jährigen Neonazis in Sendling. Dabei findet sie 28 Pistolen und Revolver, 19 Messer und andere Waffen. Der Gymnasiast hatte sich insgesamt 15 Mal in einem kirchlichen Internetforum zu Wort gemeldet und dort andere TeilnehmerInnen sexistisch beleidigt, bis die Kirche Anzeige erstattete. Anderen hatte er angeboten, Kontakte zu rechtsextremen Vereinigungen zu knüpfen. Als e-mail-Adresse hatte er ‚HitlerAD@…com‘ hinterlassen. Neben der Waffensammlung wurden bei dem Neonazi eine umfangreiche Sammlung an Literatur aus der NS-Zeit, Hitlers ‚Mein Kampf‘ und Rechtsrock-CDs gefunden. Der Polizei zufolge soll der 17-jährige keiner Neonazi-Gruppierung angehören und auch nicht der Skinhead-Szene zuzuordnen sein.
27. April 2001
München. Klaus Goebel, Rechtsanwalt des ehemaligen SS-Wachmanns Anton Malloth, lässt sich beim Prozess von Malloth von einem anderen Rechtsanwalt vertreten. Möglicherweise will Goebel damit verhindern, erneut mit dem Verein Stille Hilfe für Kriegsgefangene und Internierte e. V. in Verbindung gebracht zu werden. Die Stille Hilfe, die ihren Sitz in München hat, unterstützt alte und neue Nazis.
Nach einem Artikel in der Süddeutschen Zeitung vom August 2000 hatte Goebel den Abdruck einer Berichtigung verlangt, in der leugnet, Mitglied der Stillen Hilfe zu sein. Die SZ präsentiert nun den Gegenbeweis: Der Journalist Oliver Schröm, dessen Buch ‚Stille Hilfe für braune Kameraden‘ im Mai erscheint, hat belegt, dass Klaus Goebel bei einer Mitgliederversammlung der Stillen Hilfe im April 1989 in das Kuratorium des Vereins berufen wurde. Laut Vereinssatzung kommen dafür nur Mitglieder in Frage, ‚die durch langjährige Mitarbeit einen Überblick über die Arbeit des Vereins gewonnen haben‘.
29. April 2001
München. Mit Hilfe seiner Anwälte versucht sich Anton Malloth seinem Prozess zu entziehen. Die Verteidiger des mutmaßlichen NS-Kriegsverbrechers legen gegen die Fortführung des Prozesses Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein. Nach Auffassung der Anwälte soll der 89-jährige zu krank sein, um an der Verhandlung teilzunehmen. Die vorgelegten Gutachten, die Malloth einen Speiseröhrenkrebs bescheinigen, sind jedoch umstritten. Das Gericht ist dem ehemaligen SS-Wachmann jedoch entgegengekommen, findet der Prozess deshalb schließlich direkt in der Haftanstalt Stadelheim statt, um ihm den Transport zu ersparen. Zudem wird nur etwa zwei Stunden täglich verhandelt.