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Meuten, Swings & Edelweisspiraten

Cover des Buches 'Meuten, Swings & Edelweisspiraten'.Nahezu jedem/jeder Bundesbürger_in wird in Zusammenhang mit „Jugendkultur und Opposition im Nationalsozialismus“ – so der Untertitel von Sascha Langes Buch – die Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ aus München einfallen. Vielleicht hat der/die eine oder andere auch schon mal etwas von den Edelweißpiraten gehört, zumeist erschöpft sich damit aber das Wissen über den Widerstand Jugendlicher gegen das Regime des Nationalsozialismus.

Zu zeigen, dass das Aufbegehren großer Teile der Jugend gegen die Gängelung durch das nationalsozialistische System nicht auf wenige Orte und Gruppen beschränkt war, hat Lange sich zur Aufgabe gemacht.

Der Historiker beschreibt die Anfänge einer Jugendbewegung, die sich um die Jahrhundertwende allmählich bildete, zunächst als „Wandervogel“ oder im Umfeld linker Arbeiterparteien. In der Zeit der Weimarer Republik wurde ein großes Angebot an sportlichen, kulturellen, religiösen oder politischen Jugendorganisationen geschaffen. Aus der Wandervogelbewegung ging die Bündische Jugend hervor, es entstanden auch erste „Wilde Cliquen“, Jugendgruppen, die sich völlig autonom, ohne übergeordnete Strukturen oder Anleitung durch Erwachsene zusammenfanden. Insbesondere Tanzveranstaltungen und amerikanische Jazzmusik standen bei den Jugendlichen hoch im Kurs.

Als 1933 der Nationalsozialismus an die Macht kam, sollte sich alles ändern. Die in der Weimarer Republik entstandene vielfältige Jugendgruppenlandschaft sollte zerschlagen werden und einzig die Hitlerjugend sollte die Jugend in Deutschland organisieren. Sascha Lange beschreibt, wie die einzelnen Jugendorganisationen mit der neu entstandenen Situation umgingen, wie ihr Verhältnis zur Hitlerjugend war, wie sie sich zur Wehr setzten oder mit der Macht arrangierten. Kampflos wollten die wenigsten Jugendlichen ihre Freiheiten aufgeben, wiewohl Staatsdoktrin war, praktisch alle Jugendlichen ausschließlich in die Hitlerjugend einzubinden.

Der Autor listet eine große Zahl an Jugendcliquen auf, die sich dem NS-Regime verweigerten und stattdessen ihre Subkulturen pflegten. So ist das Buch in regionale Zusammenhänge mit ihren jeweiligen speziellen Ausprägungen der Jugendkultur gegliedert, wie beispielsweise Meuten in Leipzig, Kittelbachpiraten und Navajos im Rhein-Ruhr-Gebiet, Blasen in München oder Swingjugend in Hamburg. Selbstverständlich erhebt der Historiker Lange bei der Übersicht über oppositionelles Verhalten von Jugendlichen während der NS-Zeit keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Er stützt sich auf Quellen wie Erlebnisberichte und Interviews mit Zeitzeugen, sowie NS-Dokumente und erklärende Texte und versucht, alle bislang bekannten Jugendgruppen aufzulisten. Genau diese Auflistung macht das Buch verschiedentlich ein wenig langweilig zu lesen. Es überwiegt an manchen Stellen der Eindruck, die eine oder andere Gruppe sollte lediglich der Vollständigkeit halber unbedingt noch aufgenommen werden, auch wenn kaum mehr über sie bekannt ist, als dass es sie gab.

Insgesamt ist „Meuten, Swings & Edelweißpiraten“ aber ein interessantes Buch, das den selten beleuchteten Aspekt der Nonkonformität im Nationalsozialismus hervorhebt. Es verdeutlicht, wie allumfassend die Repression angelegt war, wie drakonisch die Strafen für vergleichsweise geringe Vergehen waren (z. B. mehrjährige Haftstrafen oder gar KZ wegen Mitgliedschaft in einer Meute) und wie groß dennoch die Sehnsucht vieler Jugendlicher nach selbstbestimmtem Leben war. Darüberhinaus wird bei der Lektüre des Buches klar, wie fließend jugendliche Aktivitäten in Widerstand münden konnten und dass Widerstand sich nicht nur auf die Metropolen beschränkte sondern auch in der tiefsten Provinz gegenwärtig war .

Sascha Lange
Meuten, Swings & Edelweisspiraten
Jugendkultur und Opposition im Nationalsozialismus
Ventil-Verlag
Mainz 2015
ISBN 978-3-95575-039-8
17€

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