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V-Mann-Porträt: Kai Dalek

Von 1987 an arbeitete Kai Dalek für das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz. In den 1990er Jahren wurde er zu einem der einflussreichsten Neonazis in Süddeutschland.

drr banner 234x60von Robert Andreasch
erschienen in der rechte rand, Heft 150

Der 1964 in Berlin geborene Kai Markus Dalek zog 1987 aus privaten Gründen ins oberfränkische Marktrodach-Oberrodach. In West-Berlin soll er für den dortigen Verfassungsschutz die linke Szene ausgespäht haben. Die dortige Behörde übergab ihren Mann nun ordnungsgemäß an die bayerischen KollegInnen. Wegen seiner »nationalen Einstellung« zogen es diese vor, den Spitzel zukünftig in der rechten Szene einzusetzen. Bei Dalek dürfte es sich also nicht um einen klassischen »V-Mann«, sondern um eine Art »verdeckten Ermittler« (»VE«) des Verfassungsschutzes handeln. Der erste Weg führte den Agenten in die »Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front« (GdNF) Michael Kühnens, die sich als »Arm der nationalsozialistischen Bewegung der neuen Generation in der Tradition der SA« verstand. Bei öffentlichen oder internen Veranstaltungen der militanten Neonaziszene hatte er meistens seine Videokamera dabei und machte Aufnahmen, was ihn schnell zu einer bundesweit bekannten Figur machte. 1989 und 1990 gehörte Dalek schon zum Vorbereitungskreis der ersten Rudolf-Heß-Gedenkmärsche in Wunsiedel.

Kai Dalek Rabatz Antifaschistische Infozeitung Reprofoto c aidaAuch am Rande linker Demonstrationen tauchte Dalek mit seiner Kamera auf und übernahm 1990 die Leitung des »Antikommunistischen Aktionsbündnis« (ANTIKO) in den Kreisen der GdNF. Die von Dalek und Co. propagierte Anti-Antifa-Kampagne sollte politische GegnerInnen bekämpfen und zugleich die eigene, zersplitterte Szene einigen. Hinter den Kulissen sorgte Dalek tatkräftig dafür, die Anti-Antifa-Aktivitäten der Neonazis auf ein neues Level zu heben: Der Geheimdienstler schleuste in Nürnberg eine »Nationaler Block«-Aktivistin ins Umfeld des antifaschistischen Archivs »Abidoz« ein. Norman Kempken, Eberhard Hefendehl und anderen half er, zum Jahreswechsel 1992/1993 die 40-seitige Broschüre »Der Einblick« zu veröffentlichen. Unter dem Titel »Organisiert die Anti-Antifa« listete sie 250 AntifaschistInnen und linke Einrichtungen auf, um diesen, so hieß es im Vorwort, »unruhige Nächte [zu]bescheren«. Die HerausgeberInnen des antifaschistischen Standardwerks »Drahtzieher im braunen Netz« brachten die furchtbaren Konsequenzen in ihrem Buch 1996 auf den Punkt: »Gezielte Jagden und Mordversuche an aktiven AntifaschistInnen gehören in einigen Regionen bereits zum Alltag«.

 Das »Einblick«-Strafverfahren wurde bei Dalek, im Gegensatz zu den anderen Beschuldigten, eingestellt. Dabei speiste er Anti-Antifa-Artikel und Fotos politischer GegnerInnen längst auch in das neonazistische »Thule-Netz« ein. In dem von 1993 bis 1999 bestehenden Computernetzwerk, mit dem die Führungskader der bundesweiten Neonaziszene verschlüsselt kommunizieren konnten, war Dalek eine zentrale Figur. Über seine Thule-Mailbox »Kraftwerk BBS«, die er unter dem Pseudonym »Undertaker« betrieb, schlug er militante Töne an, verbreitete Texte der IRA und rechtfertigte die Taten des Neonazis Kay Diesner. Diesner hatte 1997 einen Polizisten erschossen und mehrere Personen schwerst verletzt.

Lokal beteiligte sich Dalek im »Frankenrat«, dem Führungsgremium des 1990 gegründeten »Deutschen Freundeskreis Franken« (DFF). Prompt gründete sich im DFF eine »Anti-Antifa Franken«. Zusammen mit Jürgen Sünkel (Kronach) und Jürgen Schwab (damals: Amorbach) startete Kai Dalek beim DFF 1993 das Zeitungsprojekt »Junges Franken«, das durch die Kooperation mit der neonazistischen »Berlin-Brandenburger Zeitung« ab 1994 zu einer der ambitioniertesten Publikationen der Szene avancierte. Ein Schwerpunkt der professionell gemachten Zeitung war wieder die Anti-Antifa-Arbeit. »Das Komm zerschlagen – Rotfront verjagen« hieß es beispielsweise auf dem Titel der zweiten Ausgabe und auf der nächsten Seite wurde dazu aufgerufen, dem »ausländerfreundlichsten Mitbürger Frankens« – in dieser Rubrik wurden AntifaschistInnen namentlich aufgelistet – »eine entsprechende Belohnung« zukommen zu lassen. Auch die von Dalek bereitgestellte Infrastruktur – in Steinwiesen betrieb er ein »Computer-Grafik-Design-Studio«, in Weißenbrunn die »Sicherheits­firma« »Secuguard« – nützte der Neonaziszene.

Dalek nahm für die Kameradschaften in Nordbayern und Südthüringen eine führende Stellung ein. Der Abschlussbericht der Thüringer »Schäfer«-Kommission bestätigt das genauso wie die Aussage Tino Brandts im NSU-Prozess: »Das war in Bayern unsere Führungskraft«. Daleks terroristisches Umfeld reichte schließlich bis zum NSU: Die Staatsanwaltschaft Gera ermittelte von 1995-1997 gegen ihn und Brandt wegen »Bildung einer kriminellen Vereinigung«, das Verfahren wurde »mit Hinblick auf die V-Mann-Tätigkeit Daleks« eingestellt, wie es im bayerischen NSU-Untersuchungsausschuss hieß. 1997 war Dalek führend auf dem Großaufmarsch gegen die Ausstellung »Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944« in München tätig, an dem auch Uwe Mundlos teilnahm. In den 1998 beim Abtauchen von Mundlos hinterlassenen Telefonlisten ist er als »Kai D.« einmal handschriftlich und einmal maschinenschriftlich eingetragen.

Der Verfassungsschutzmitarbeiter Dalek soll dem Vernehmen nach mindestens 150.000 Euro für seine Tätigkeit bekommen haben. Wie viele AntifaschistInnen hat er in Lebensgefahr gebracht? Wie viele Menschen hat er zu gewalttätigen Aktionen aufgestachelt? Die von ihm initiierte terroristische Anti-Antifa-Arbeit hat die Aktivitäten der bayerischen Neonazis jedenfalls bis heute nachhaltig geprägt.

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