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25. August 2012

Neonazi-Kundgebung vor dem Bahnhof Eggenfelden:  Foto: recherche-bayern
Neonazi-Kundgebung vor dem Bahnhof Eggenfelden: Foto: recherche-bayern
Eggenfelden. Neonazis aus dem „Freien Netz Süd“ (FNS) haben eine Kundgebung am Mittag angemeldet, jedoch nicht öffentlich beworben. Wie bereits vor zwei Wochen in Burghausen steht auch diese Aktion unter dem rassistischen Motto „Machs Maul auf. Gesicht zeigen für die Heimat gegen Multikulti“.

Der DGB-Kreisverband Rottal-Inn hatte von den potentiellen Nazi-Planungen jedoch Wind bekommen und zusammen mit dem Bündnis „Eggenfelden ist bunt“ bereits vor zwei Wochen präventiv Kundgebungen  auf mehreren Plätzen in Eggenfelden organisiert. Trotz der letztlich kurzfristigen Mobilisierung protestieren am Bahnhofsplatz, Stadtplatz, Rathausplatz, Kirchplatz und Fischbrunnenplatz gut 150 Menschen drei Stunden lang gegen Rassismus und Ausgrenzung. Unter ihnen sind Vertreter_innen antifaschistischer Initiativen, der Parteien und auch Landrat Michael Fahmüller.

Der Vorsitzende des FDP-Kreisverbandes Rottal-Inn, Florian Wassermann (Bayerbach), will sich nicht gegen die Neonazikundgebung engagieren. In einer u. a. an das lokale „Wochenblatt“ verschickten Erklärung schreibt Wassermann im Vorfeld, bei der Gegenveranstaltung schwinge „der fade Beigeschmack der Intoleranz“ mit und „zu einem gesunden Demokratieverständnis gehört es also auch, Kundgebungen und Meinungsäußerungen von Personen zuzulassen, deren Weltanschauungsbild man nicht teilt“. Doch es kommt noch schlimmer: Die demokratischen Proteste der Gewerkschaften setzt Wassermann in seiner Mitteilung zuerst mit der Kundgebung der Neonazis aus dem „Freien Netz Süd“ gleich und wünscht dann provozierend „beiden Veranstaltungen ein gutes Gelingen, und regenfreie Stunden in unserem wunderschönen Landkreis Rottal-Inn“.

Den Neonazi-Aktivisten Karl-Heinz Statzberger (2. v. l.) und Roy Asmuß (3. v. l.) droht der 'Volkstod'.  Foto: recherche-bayern
Den Neonazi-Aktivisten Karl-Heinz Statzberger (2. v. l.) und Roy Asmuß (3. v. l.) droht der ‚Volkstod‘. Foto: recherche-bayern
Den Neonazis wird am Samstag abweichend von ihrer Anmeldung für den Stadtplatz der Platz vor dem Bahnhof zugewiesen. Die Polizei sperrt die Straße großräumig ab, so dass die zwanzig Teilnehmenden dort unter sich bleiben. Anwesend sind Neonazis aus dem „Nationalen Bündnis Niederbayern“ (NBN), der „Kameradschaft Mühldorf“/“Wehrtroopers Deutschland“, der „Kameradschaft München“ und der „Freien Kräfte Berchtesgadener Land“. Sie haben, wie vor zwei Wochen in Burghausen, wieder das „dieses System bringt uns den Volkstod“-Transparent“ dabei und zwei junge Neonazis als Tod/Sensenman geschminkt und mit Plastiksensen ausstaffiert.

Stefan Willi Reiche (Geretsried), einer der führenden Aktivisten der Kameradschaft „Jagdstaffel D.S.T“, kümmert sich um die Tonanlage. Ein Logo mit „Jagdstaffel“-Abkürzung ziert als Tattoo seinen Hals. Die Gruppe, gegen die derzeit ein Ermittlungsverfahren wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ anhängig ist, will sich angeblich im Juli aufgelöst haben. Thomas Schatt (München), führender Aktivist der Szene in München, filmt mit einer Videokamera Kundgebung und die anwesenden Journalist_innen ab.

Karl-Heinz Statzberger (Markt Schwaben) wiederholt seine bereits bei der Burghausener Kundgebung gehaltene Rede von der „amerikanischen Ostküste“ und dem „Genozid am deutschen Volk“. „Besatzerkinder“ seien der erste Schritt zur Ausrottung des deutschen Volkes gewesen, die Emanzipation von Frauen und Mädchen sei „ein Fluch“ und „dieses System“ ein „Irrenhaus“, so der führende Aktivist der „Kameradschaft München“ bzw. des Neonazi-Dachverbands „Freies Netz Süd“. Bei der Behauptung „die Demokraten wollen den Volkstod“ überschlägt sich seine Stimme. Zum Abschluss animiert der kinderlose Neonazi die Umstehenden, die Parole „Widerstand, rettet die Familien“ zu skandieren.

'Nationales Bündnis Niederbayern' und 'Kameradschaft München'.  Foto. recherche-bayern
‚Nationales Bündnis Niederbayern‘ und ‚Kameradschaft München‘. Foto. recherche-bayern
Roy Asmuß (Teising) greift in seiner Rede ebenfalls größtenteils auf sein Manuskript von Burghausen zurück und bringt darin sowohl Politisches („die verheerenden Folgen der Überfremdungspolitik der bundesrepublikanischen Volksvertreter“) als auch Privates („Ich selbst habe jahrelang auf dem Schlachthof in Waldkraiburg gearbeitet“), wobei er vor einem Großplakat mit Fleischwerbung („Qualität aus Bayern“) steht.

Auch der oberpfälzische Neonaziaktivist Robin Siener („Bürgerinitiative Soziale Alternative Oberpfalz“) tritt ans Mikrofon. Seinen neonazistischen Phrasen vom „Volkstod“ fügt er bemerkenswerte „Begründungen“ bei: mangelnder Kirchenbesuch in Bayern beispielsweise sei ein Anzeichen und „der Verlust der Kultur“ zeige sich, so der gebürtige Frankfurter, an den „Phantasiedirndl(n) auf dem Oktoberfest“.

Vanessa Becker (l.) liest das eigene Flugblatt vor.  Foto: recherche-bayern
Vanessa Becker (l.) liest das eigene Flugblatt vor. Foto: recherche-bayern
Vanessa Becker („Kameradschaft München“/“Kameradschaft München Nord“) tritt erstmals als Rednerin auf und verliest das zur Aktion mitgebrachte Neonazi-Flugblatt: „Denkst du auch, dass schon viel zu viele Ausländer in Deutschland sind? (…) Ist es diese multikulturelle Gesellschaft, für die unsere Vorfahren gearbeitet, gekämpft und gelitten haben? (…) Sag Nein zur Vernichtung deutscher Werte. (…) Sag Nein zur Gesinnungspolizei“.

Nach den vier Redebeiträgen und etwas Rechtsrock vom Band beenden die Neonazis ihre Veranstaltung nach knapp eineinhalb Stunden. Siehe auch: www.wochenblatt de vom 24. und 25. August 2012.

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