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9. Mai 2012

Gemünden. Martin Wiese (Reichersdorf), verurteilter Rechtsterrorist und Aktivist des „Freien Netz Süd“ (FNS), ist vor dem Amtsgericht in der unterfränkischen Kleinstadt angeklagt.

Martin Wiese verlässt den Sitzungssaal im Amtsgericht Gemünden.  Foto: Robert Andreasch
Martin Wiese verlässt den Sitzungssaal im Amtsgericht Gemünden. Foto: Robert Andreasch
Grund der Anklage sind Medienberichte und ein Foto, die das Auftreten von Wiese beim neonazistischen „Frankentag“-Rechtsrockspektakel am 13. August 2011 im unterfränkischen Roden-Ansbach dokumentierten.

Unter anderem eine a.i.d.a-Veröffentlichung hatte damals aufgezeigt, dass Wiese in einem T-Shirt aufgetreten ist, das am Rücken mit der Aufschrift „Seine Idee – unser Weg“ sowie der Unterschrift Adolf Hitlers bedruckt gewesen war.

Als Redner beim „Frankentag“ hatte Wiese zuerst den versammelten Neonazis Teile des NSDAP-Parteiprogramms empfohlen und schließlich von der Bühne herab gegen Medienvertreter_innen und Fotografinnen gedroht: „Wir werden eines Nachts kommen, Euch aus Euren Löchern holen, Euch vor einen Volksgerichtshof stellen und Euch wegen Deutschlands Hochverrat verurteilen zum Tode“.

Teile dieser Rede waren auch im Rundfunk zu hören gewesen. Trotzdem stellen Wiese und sein als Szeneanwalt bekannter Verteidiger Frank Miksch (Fürth) entsprechende Medienberichte zunächst als „Lügen“ dar, um dann absurderweise selbst eine DVD mit der dokumentierten Rede Wieses abzuspielen, die weitestgehend den Zeugenberichten entsprechend ausgefallen ist. Insbesondere die angeklagten Droh-Passagen sind inder vorgeführten Wiese-Rede wie von den Zeugen zuvor berichtet absolut wörtlich enthalten. Miksch plädiert dennoch für einen Freispruch seines Mandanten. Die Begründung: Es gebe „ja auch viele verbohrte Antifaschisten, die öffentlich sagen, dass die Nazis hingerichtet gehören“ und „Im Falle dass er [Martin Wiese] nochmal eine Rede hält, legt er diese vorher mir oder einem Kollegen vor“.

Die Kammer verurteilt Wiese schließlich wegen Volksverhetzung (§130 Abs. 1 StGb), Bedrohung und Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten. Lediglich eine nach §130 Absatz 4 StGb ebenfalls angeklagte Redepassage über den Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß führt nicht zu einer Verurteilung. Der Nationalsozialismus sei hier zwar ebenfalls von Wiese verherrlicht worden, äußert die Kammer unter Vorsitz von Amtsgerichtsdirektor Lenz, jedoch sei damit nicht – wie im Gesetzestext zusätzlich gefordert – der öffentliche Frieden gestört gewesen.

Die Haftstrafe Wieses wird angesichts der schnellen Rückfallgeschwindigkeit und mangels positiver Sozialprognose nicht zur Bewährung ausgesetzt, einen von der Staatsanwaltschaft beantragten Haftbefehl lehnt das Gericht jedoch ab. Da Wiese bzw. sein Verteidiger Rechtsmittel gegen das Urteil ankündigen, bleibt der niederbayerische Neonazi vorerst auf freiem Fuß.

Wieses Rechtsanwalt Frank Miksch, Martin Wiese und die Prozessbesucher der 'Jagdstaffel D.S.T'.  Foto: Robert Andreasch
Wieses Rechtsanwalt Frank Miksch, Martin Wiese und die Prozessbesucher der ‚Jagdstaffel D.S.T‘. Foto: Robert Andreasch
Zum Prozess kommen eine Reihe Neonazis aus den Kreisen des „Freien Netz Süd“ (FNS), einige von ihnen pöbeln und rempeln gegen Zeugen und Medienvertreter_innen.

Unter anderem fahren im Auto von Wieses Rechtsanwalt Frank Miksch die führenden FNS-Aktivisten Norman Kempken (Nürnberg) und Kai-Andreas Zimmermann (Fürth) zum Amtsgericht. Zimmermann betätigt sich auch in Gemünden als Anti-Antifa-Fotograf und lichtet einen Teil der vor Ort anwesenden Journalist_innen ab. Außerdem sind mit Stefan Reiche (Geretsried) und Klaus K. (München) führende Aktivisten der (ebenfalls dem FNS zugerechneten) militanten oberbayerischen Kameradschaft „Jagdstaffel Deutsch Stolz Treu“ angereist.

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