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Der „dritte Weg“ als Ausweg

Aufkleber der neuen neonazistischen Partei ‚Der Dritte Weg‘. Von Unbekannten auf ein Bürofenster des ‚Bayerischen Flüchtlingsrats‘ geklebt. Foto: Robert Andreasch

Seit September 2013 organisieren sich süddeutsche Neonazis in der neuen Partei „Der Dritte Weg“. Für den Fall eines (eventuellen) Verbots des neonazistischen Netzwerks „Freies Netz Süd“ gäbe es damit eine neue Perspektive.

Die Gründung

Am Anfang stand eine Pressemitteilung, veröffentlicht im Oktober 2013 auf der Website des neonazistischen Kameradschaftsverbands „Freies Netz Süd“ (FNS, Bayern) und auf Seiten wie dem „Infoportal 24“ aus den Kreisen des „Aktionsbüros Rhein-Neckar“ (Baden-Württemberg/Vorderpfalz): Darin heißt es, dass am 28. September 2013 „über ein Dutzend Aktivisten“ bei einem Treffen in Heidelberg „in harmonischer Atmosphäre“ eine „neue parteipolitische Plattform“ geschaffen hätten – die Partei „Der Dritte Weg“ (DIIIW).

Der Name

Der Name „der dritte Weg“ hat eine längere Geschichte in der deutschen und internationalen Rechten. Unter anderem war er Titel der Parteizeitung der „Freisozialen Union – Demokratischen Mitte“ (FSU), in der ab 1970 die freiwirtschaftlichen Lehren Silvio Gesells diskutiert wurden. Für Blockfreiheit und für eine Alternative zu Kapitalismus und Komunismus traten die FSU-ler damals ein, was durchaus deckungsgleich mit den Inhalten nationalrevolutionärer Netzwerke der 1980er und 1990er Jahre war. „Junge Nationaldemokraten“ (JN), „Sozialrevolutionäre Arbeitsfront“ (SrA) und andere deutsche Neonazis orientierten sich damals an der britischen Partei „International Third Position“ (Third way) oder der italienischen „Terza Posizione“.

Das Programm

„Die Betonung der Parteiausrichtung“, so schreibt jetzt der „DIIIW“ in seiner Gründungserklärung, liege „auf einem sozialistischen Programm, das einen nationalrevolutionären Charakter Ausdruck verleiht“ (Fehler i. O.). Schon formal erinnern die zehn Ziele im extrem knapp gehaltenen Parteiprogramm an eine komprimierte Version der 25-Punkte der NSDAP. Unter anderem mit den Forderungen nach „Verstaatlichung sämtlicher Schlüsselindustrien, Betrieben der allgemeinen Daseinsfürsorge, Banken, Versicherungen sowie aller Großbetriebe“ und „Wiedereinführung der Todesstrafe“ tauchen auch Inhalte von damals wieder auf. Zu diesem „Deutschen Sozialismus“ kommen querfrontlerische Töne („Austritt Deutschlands aus der NATO“) sowie die völkische Forderung nach „Erhaltung und Entwicklung der biologischen Substanz des Volkes“. Punkt neun, „Schaffung einer Europäischen Eidgenossenschaft“, gleicht dem Punkt fünf der sieben Ziele der „Europäischen Aktion“ (EA). Diese Organisation, die der Schweizer Holocaustleugner Bernhard Schaub auch in Bayern aufbaut, wirbt auf der Internetpräsenz des „dritten Wegs“ mit einem eigenen Banner.

Die Funktion

Damit dürfte sich in nächster Zeit wohl kaum ein größeres Wähler_innenpotential erschließen lassen. Aber eine Vergrößerung strebt die neue Splitterpartei offensichtlich auch gar nicht an: Interessierte können lediglich eine „Fördermitgliedschaft“ beantragen, aber nicht der Partei beitreten. Dazu passt, dass die Partei aus der Ablehnung der (parlamentarischen) Demokratie keine Hehl macht: „Mit diesem Irrglauben beseelt hält man viele gutgläubige Nationalisten seit Jahren am Narrenband“, heißt es bei ihr.

Dass man „neben dem Aufbau einer wahlpolitischen Alternative“ auch Politik „auf der Straße“ vertreten sowie „sich kulturell betätigen“ und „Sport- und Freizeitangebote“ anbieten möchte, deutet auf einen ganz anderen Schwerpunkt hin: die Aktivitäten neonazistischer Kameradschaften können zukünftig unter einem neuen Deckmantel durchgeführt werden.

Das FNS und die neue Partei

Kein Wunder, dass die Neonazis aus dem „Freien Netz Süd“ zu den wichtigsten Träger_innen der neuen Struktur gehören. Nach den Razzien im Juli 2013 und Ermittlungen in einem Vereinsverbotsverfahren suchen die Mitgliedsgruppen des FNS nach neuen Organisationsformen und gehen dabei unterschiedliche Wege. In Fürth („Bürgerinitiative Soziales Fürth“, BiSF), München („Bürgerinitiative Ausländerstopp“, BIA), Augsburg (BIA) und z. T. in der Oberpfalz („Bürgerinitiative Soziale Alternative Oberpfalz“, BiSAO) setzen die Neonazis auf lokale, parteiähnliche Strukturen. Überregional wird parallel dazu die Organisierung als „DIIIW“ vorangetrieben.

Transparent der neuen Neonazipartei beim FNS-Aufmarsch in Wunsiedel, 16. November 2013. Foto: Hannah Hofmann

Nach eigenem Bekunden verfügt die Neonazipartei DIIIW mittlerweile über „Stützpunkte“ in München und Hof. Beim „Heldengedenkmarsch“ des FNS am 16. November 2013  im nordbayerischen Wunsiedel waren mehrere Transparente schon mit der neuen Parteibezeichnung unterschrieben. Eine Woche später hielt FNS-Aktivist Tony Gentsch (Regnitzlosau-Oberprex) beim Aufmarsch gegen Asylsuchende im thüringischen Greiz seine Ansprache bereits als offizieller Vertreter der „Partei“. Nach Angaben des „Antifaschistischen Infobüros Rhein-Main“ ist auch FNS-Aktivist Karl-Heinz Statzberger (Markt Schwaben) bei seiner Rede beim Neonaziaufmarsch im rheinland-pfälzischen Remagen am 23. November 2013  als Vertreter der „Dritten Weg“-Partei angekündigt worden. Und das „Freie Netz Süd“ bezeichnet auf seiner Website mittlerweile auch den FNS-Kader Matthias Fischer (Fürth) als Vertreter des „DIIIW“.

Mit der Organisierung in einer Partei wiederholt sich in gewisser Weise der Prozess von 2004, als nach dem Verbot der neonazistischen „Fränkischen Aktionsfront“ (FAF) ihre führenden Kader (wie Matthias Fischer) die politische Arbeit vorübergehend in den Strukturen von NPD und JN leisteten.

Die Konkurrenz – NPD und ‚Die Rechte‘

Die NPD kann heute eine solche Möglichkeit längst nicht mehr anbieten. Der „Dritte Weg“ versandte eine weitere Erklärung, nach der die Nationaldemokrat_innen wegen „fiese(r) Machenschaften einer Funktionärsclique“ nicht mehr die „Heimathafen-Funktion und den Anspruch der einzigen nationalen Wahlpartei“ innerhalb des „Nationalen Widerstands“ erfüllten. Der Münchner „Stützpunkt“ der neuen Partei lästerte, die „bisherigen nationalen Parteien, wie beispielsweise die NPD“, seien „aus verschiedenen Gründen keine wirkliche Alternative zum heutigen Zeitgeist mehr“.

Solche Absetzbewegungen verwundern nicht, denn als Vorsitzender im fünfköpfigen „Gesamtvorstand“ der Kleinstpartei agiert der ehemalige NPD-Funktionär Klaus Armstroff (Weidenthal, Rheinland-Pfalz). Zusammen mit seiner Frau Dörte, der gestürzten rheinland-pfälzischen NPD-Landesvorsitzenden, war er bei seiner Ex-Partei zuletzt in Ungnade gefallen. DIIIW bewirbt heute prompt einen Telefonanschluss in Weidenthal, der bisher vom NPD-Landesverband genutzt wurde. Im Rhein-Neckar-Raum meldete Klaus Armstroff zuletzt mehrere neonazistische Aktionen unter dem Label „Der Dritte Weg“ an.

Ein Beitritt zur Neonazipartei „Die Rechte“ ist im Süden ebenfalls keine Option. Bis heute hat sie keinen Landesverband in Bayern aufgebaut (und in Baden-Württemberg hat sie erst im Januar 2014 Aktivitäten begonnen). Ihr Gründer Christian Worch ist beim „Freien Netz Süd“ wegen früherer Vorwürfe bzgl. einer angeblichen Kooperation mit „Spitzeln“ verhasst.

Rassismus und Gewalt

Rassistischer Aufkleber der neuen Neonazipartei, von Unbekannten auf ein Bürofenster des ‚Bayerischen Flüchtlingsrats‘ in München geklebt. Foto: Robert Andreasch

Flugblätter der Partei „Der Dritte Weg“, die im November 2013 im rheinland-pfälzischen Ludwigshafen verteilt wurden, zeigen den Rassismus der Neuschöpfung: Unter der Überschrift „Asylantenflut stoppen“ wird recht unverhohlen mit Gewalt gedroht: „Braucht die Regierung ein neues Rostock-Lichtenhagen, um aufzuwachen?“

Dieser Beitrag von Robert Andreasch ist die Langfassung eines Artikels, der im Januar 2014 zuerst im antifaschistischen Magazin „der rechte rand“ erschienen ist.

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