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„Sei erbarmungslos!“

No Fight - No Glory. Peter Rausch in gewaltverherrlichendem T-Shirt bei Neonaziaufmarsch in Augsburg  Foto: Robert Andreasch Das Landgericht Nürnberg hat am Mittwoch, 2. März 2011, einen führenden Aktivisten des neonazistischen Kameradschafts-Dachverbands „Freies Netz Süd“ (FNS) aus Fürth wegen gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung zu einer Haftstrafe von fünfeinhalb Jahren verurteilt. Der frühere NPD-Funktionär Peter Rausch hatte im April 2010 einen jungen Antifaschisten so brutal angegriffen, dass dieser einen Herzstillstand erlitt und bleibende Schäden davontragen wird. Der Vorfall zeigt: rechte Aufrufe zur Gewalt und neonazistische Attacken stellen in Bayern eine ständige Bedrohung dar.

Der Angriff von Nürnberg

Rückblende: Der „Freies Netz Süd“-Aktivist Peter Rausch und seine Freundin Anna L., die regelmäßig an rechten Aufmärschen im Süden teilnimmt, treffen am Nachmittag des 28. April 2010 in einem Waggon der Nürnberger U-Bahn auf einen damals 17-jährigen Antifaschisten. Dieser zeigt Zivilcourage und spricht  Anna L. auf ihre Bauchtasche von „Thor Steinar“ an, der zum neonazistischen Lifestyle gehörenden Marke. Beim Einfahren in den U-Bahnhof Plärrer greift Peter Rausch den Jugendlichen an, schlägt auf ihn mit Fäusten ein und tritt ihm gegen den Oberkörper. Wie ein Zeuge beobachten kann, holt Rausch danach wie ein Fußballer aus und tritt mit voller Wucht gegen den Kopf des bereits am Boden liegenden Opfers.

Die Staatsanwaltschaft hatte nun im Prozess sieben Jahre und neun Monate Haft wegen versuchten Totschlags gefordert. Mit dem zweiten Tritt habe der Kickboxer Rausch versucht, den am Boden liegenden Jugendlichen zu töten. Der Anwalt des Täters, der frühere SPD-Politiker Axel Graemer, forderte dagegen eine Freiheitsstrafe von maximal drei Jahren, denn die Tat habe „keinen politisch motivierten Hintergrund“ gehabt.

Ein notorischer Gewalttäter

Peter Rausch aggressiv bei Neonaziaufmarsch in München.  Foto: Zacharias O. Gross
Peter Rausch aggressiv bei Neonaziaufmarsch in München. Foto: Zacharias O. Gross
Doch der Angeklagte ist seit Jahren in der neonazistischen Szene Frankens aktiv: Er gilt als Mitbegründer der „Kameradschaft Fürther Land“ (2003) und Sympathisant der im Januar 2004 verbotenen neonazistischen „Fränkischen Aktionsfront“ (FAF), hatte zeitweise das Amt eines „Junge Nationaldemokraten“ – Stützpunktleiters und eines Beisitzers im NPD-Kreisvorstandes inne und betätigte sich zuletzt im Rahmen des „Freien Netz Süd“.

Rausch ist für seine Gewaltneigung bekannt: Auf seinem Computer findet sich ein Bild unter dem Dateinamen „Kampfsport“, es zeigt den Neonazi in seinem Zimmer vor einer NPD-Fahne, vermummt und mit zwei Pistolen in den Händen. In der Öffentlichkeit trägt Rausch gerne gewaltverherrlichende Bekleidungsaufdrucke: Bei einem Aufmarsch am 27. Februar 2010 in Augsburg hat er beispielsweise ein Sweat-Shirt mit der Parole „No Fight – No Glory“ an, als Besucher eines Prozesses gegen die neonazistischen  „Anti-Antifa-Nürnberg“-Aktivisten Sebastian Schmaus und Michael R. ein T-Shirt mit der Aufschrift „Spezialist für Körperverletzungen“. Im Stil eines „erfahrenen“ Hooligans zog sich Rausch in der Vergangenheit bei Aufmärschen noch während des Aufzugs zur Tarnung öfters vollständig um. Nicht ohne Grund, schließlich legte er sich bei solchen Gelegenheiten immer wieder mit Gegendemonstrant_innen und Polizeibeamt_innen an:

Schon 2005 hatte Rausch bei einem Aufmarsch einem linken Gegendemonstranten gegen den Kopf getreten. Das Verfahrensregister der Staatsanwaltschaft führt dazu Gewalttaten in Forchheim, in Fürth und in Uehlfeld auf. In Uehlfeld soll Rausch nach einer Sonnwendfeier eine Frau, die sich von der rechten Szene distanzieren wollte, verprügelt haben. Nach einer NPD-Mahnwache am 13. Februar 2008 in Fürth hatten er und ein anderer Neonazi zwei Menschen mit Tritten und Faustschlägen ins Gesicht angegriffen. Dafür verurteilte das Amtsgericht Fürth Rausch zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten auf Bewährung.

Das skandalöse Verhalten der Justiz

Unklar bleibt, wieso Peter Rausch zum Tatzeitpunkt überhaupt auf freiem Fuß gewesen ist. Immer wieder hatte der Kampfsportler Rausch in den letzten Jahren auf Menschen eingeschlagen und eingetreten und in den letzten Jahren sind über vierzig  (!) Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet worden. Es scheint, als ob dann jedoch eine schützende Hand über den FNS-Aktivisten gehalten wurde: Der Großteil dieser Ermittlungsverfahren ist nämlich vor allem wegen angeblich „mangelndem öffentlichen Interesse“ eingestellt worden und die wenigen Gerichtsverfahren gegen Rausch endeten mit unfassbar milden Strafen.

Die Gewalt der Anti-Antifa

Anti-Antifa-Arbeit: Sebastian Schmaus und Michael R. in Dresden, 2010.  Foto: Robert Andreasch
Anti-Antifa-Arbeit: Sebastian Schmaus und Michael R. in Dresden, 2010. Foto: Robert Andreasch
Peter Rausch hat u. a. in Fürth selbst schon Antifaschist_innen beobachtet und mit einer Videokamera zu filmen versucht. Gewalttaten gegen politische Gegner’_innen bereitet die Nürnberger Neonaziszene durch ständige sogenannte „Anti-Antifa-Arbeit“ vor. Auch der von Rausch fast umgebrachte junge Antifaschist war vor der Attacke offensichtlich bereits ins Blickfeld der neonazistischen „Anti-Antifa Nürnberg“ geraten. Beim „Thüringentag der nationalen Jugend“ benannten Neonazis des „Freien Netz Süd“ in einem Redebeitrag jedenfalls vermeintliche persönliche Details über das vom Neonazi-„Kameraden“ zusammengeschlagene Opfer und hetzten über den Schwerverletzten („Zecke“).

Stefan Friedmann bei der Anti-Antifa-Arbeit.  Foto: Robert Andreasch
Stefan Friedmann bei der Anti-Antifa-Arbeit. Foto: Robert Andreasch
Zu den bekanntesten „Fotografen“ neonazistischer Anti-Antifa-Strukturen in Bayern zählt der Diedorfer Stefan Friedmann. Im „Einsatz“ war er beispielsweise beim FNS-Aufmarsch zum ersten Mai 2010 in Schweinfurt, dabei trug er eine „Thor-Steinar“-Jacke mit Blutspritzer-Design und der gewaltverherrlichenden Aufschrift: „Kontaktfreudig und erlebnisorientiert“ .

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