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Rechtsunten. Ein Rückblick auf 2014.

Die bayerischen Zustände waren im vergangenen Jahr vor allem durch den Rassismus der Mitte gekennzeichnet. Rassistische, antisemitische und chauvinistische Einstellungen sind in Bayern regelmäßig in einem höheren Ausmaß verbreitet als im sonstigen Bundesgebiet.

PD Dr. Oliver Decker und Prof. Dr. Elmar Brähler (Universität Leipzig) haben solche Studienergebnisse im November 2014 in ihrer Veröffentlichung „Rechtsextreme Einstellungen in Bayern“ noch einmal bekräftigt:

„Die Ausländerfeindlichkeit ist im gesamten Bundesgebiet die Dimension, die die höchsten Zustimmungswerte erfährt. Im Vergleich zum westlichen Bundesgebiet (jeder Fünfte) fällt das Ergebnis für Bayern aber noch drastischer aus: Mit 33,1% stimmt jeder Dritte den Aussagen mit ausländerfeindlichem Inhalt zu“.

Anwohner mit rassistischem Schild gegen die Asylsuchenden in der Münchner Bayernkaserne. Foto: Robert Andreasch
Anwohner mit rassistischem Schild gegen die Asylsuchenden in der Münchner Bayernkaserne. Foto: Robert Andreasch

Dass Ressentiments und Hass im Südosten der Republik längst die Einstellungsebene verlassen haben, zeigen die Aktivitäten gegen Asylsuchende, die rassistische Bürger_innen in den letzten Jahren in hunderten bayerischen Orten initiierten. Im Vorjahr war es aufgehetzten Bürger_innen u. a. in Geißing bei Traunstein gelungen, die Unterbringung von Asylsuchenden im Ort wieder rückgängig zu machen. Als die Flüchtlingsaufnahme in diesem Jahr aufgrund mangelnder Vorbereitung der Verantwortlichen (und dem in Bayern gesetzlich vorgeschriebenen Lagerzwang) mancherorts in einem Diskurs der Belastung und Überforderung mündete, nahm die Zahl der feindseligen Umtriebe noch zu:

Mit Unterschriftenlisten und anonymen Flugblättern (wie in Goldbach), rassistischen Transparenten an den Häusern (wie in Anzing), facebook-Gruppen (wie in München), Geldsammlungen für den Kauf der ins Auge gefassten Immobilien (wie im niederbayerischen Frankenried), frei erfundenen Verdächtigungen (wie in Garmisch-Partenkirchen) und rassistischen Drohungen versuchten Anwohner_innen in vielen Städten und Gemeinden, den Zuzug von Geflüchteten und Asylsuchenden zu verhindern. Im Internet tobten sich User beispielsweise gegen Asylsuchende aus, die nach Pocking-Hartkirchen kommen sollten:

„I hät nu a Gasflasche und a Handgranate rum liegen für des Gfrast, Lieferung frei Haus“.

BIA-Kundgebung gegen Asylsuchende in München. Foto: Robert Andreasch
BIA-Kundgebung gegen Asylsuchende in München. Foto: Robert Andreasch

Neonazis konnten sich da meistens nur noch dranhängen. Manchmal versuchten sie dort, wo der Volkszorn nicht eh schon hochkochte, die Stimmung weiter anzuheizen, indem sie beispielsweise facebook Gruppen einrichteten („Asylflut stoppen auch in Niederbayern“, „Nein zum Jugendasylheim Hirschaid“ u. v. a.), Flugblätter verteilten (landesweit), Kundgebungen veranstalteten (in München 2014 allein 25 mal) oder aufmarschierten, wie gegen die geplante Erstaufnahmeeinrichtung in Deggendorf.

Aufmarsch der Neonazipartei 'Der dritte Weg' (Nachfolgeorganisation des verbotenen 'Freien Netz Süd') in Plauen. Foto: Robert Andreasch
Aufmarsch der Neonazipartei ‚Der dritte Weg‘ (Nachfolgeorganisation des verbotenen ‚Freien Netz Süd‘) in Plauen. Foto: Robert Andreasch

Dass das Innenministerium im Sommer mit dem „Freien Netz Süd“ (FNS) die wichtigste bayerische Neonazigruppierung verboten hatte, änderte daran kaum etwas. Denn die Neonazis arbeiten nahtlos in ihrer schon im Vorjahr als Ersatz gegründeten Partei „Der dritte Weg“ weiter und nutzen ihre langjährigen Netzwerke wie das der „Hammerskin Nation“. In Germering, Erlangen und Vorra wurden im vergangenen Jahr drei schwere Brandanschläge auf Asylunterkünfte verübt, bei denen insgesamt ein Millionenschaden entstanden ist. Beim „Dritten Weg“ begrüßte man die Brandstiftungen u. a. als „vorzeitiges Weihnachtsgeschenk“. In keinem Fall konnte die Polizei bisher die Täter_innen ermitteln.

Nach dem Brandanschlag auf die Geflüchtetetenunterkunft in Germering. Foto: a.i.d.a.
Nach dem Brandanschlag auf die Geflüchtetetenunterkunft in Germering. Foto: a.i.d.a.

Die Behörden verharmlosen rechte Attentate und Waffenfunde nach wie vor. Die lokale Polizei schrieb nach einem Anschlag auf die Flüchtlingsunterkunft im oberbayerischen Schongau Ende Februar 2014 beispielsweise „Scheinbar haben unbekannte Täter noch Böller aus der Neujahrsnacht übrig“. Ein großer Waffen- und Sprengstofffund beim hochrangigen FNS-Neonazikader Benjamin H. (Waging) wurde nicht weiter öffentlich thematisiert. In München und im oberpfälzischen Painten stießen Einsatzkräfte bei Razzien auf riesige Waffenarsenale und Explosivstoffe; Hinweise auf einen vorhandenen rechten Hintergrund wurden jedes Mal von den Behörden verheimlicht. Aktuell nehmen die militanten Angriffe auf das Gedenken an die nationalsozialistischen Verbrechen zu, wozu das Zerstören vieler antifaschistischer Denkmäler und Stolpersteine in Bayern und im österreichisch-bayerischen Grenzgebiet genauso gehört wie der Diebstahl des Eingangstores des ehemaligen KZs Dachau im November.

Antisemitisches Posting der bayerischen NPD auf ihrem facebook-Profil. Screenshot: a.i.d.a.
Antisemitisches Posting der bayerischen NPD auf ihrem facebook-Profil. Screenshot: a.i.d.a.

Die NPD, die viele bayerische Neonazis offensichtlich aufgegeben haben, wurde 2014 durch die Verhaftung des stellvertretenden Landesvorsitzenden Sascha Roßmüller und den Rücktritt ihres egomanischen Landesvorsitzenden Karl Richter und dessen Stellvertreterin Sigrid Schüßler weiter gebeutelt. Mit Aktionen gegen Asylsuchende einerseits und ultraradikalen rassistischen und antisemitischen Veröffentlichungen auf dem facebook-Profil andererseits versucht der Landesverband um den neuen Vorsitzenden Franz Salzberger (Mariaposching), sich aus dem Tief zu retten.

Die Rechtspopulist_innen um den „PI-News“-Macher Michael Stürzenberger setzten in der ersten Jahreshälfte alles daran, in München doch noch eine Abstimmung gegen einen Moscheeneubau zu erzwingen, scheiterten schließlich aber an den einfachsten juristischen Anforderungen für ein Bürgerbegehren. Nun sind sie führend damit beschäftigt, die wöchentlichen „PEGIDA Franken/WÜGIDA“-Demos in Würzburg sowie einen „BAGIDA“-Aufmarsch in München (voraussichtlich im Januar 2015) zu organisieren.

Michael Ragg (l.), Landesvorsitzender der fundamentalistischen AUF-Partei und Münchner ÖDP-Kommunalwahlkandidat, beim reaktionären Marsch der Abtreibungsgegner_innen. Foto: Robert Andreasch
Michael Ragg (l.), Landesvorsitzender der fundamentalistischen AUF-Partei und Münchner ÖDP-Kommunalwahlkandidat, beim reaktionären Marsch der Abtreibungsgegner_innen. Foto: Robert Andreasch

Neben solch antimuslimischem Rassismus bietet für rechte Wutbürger_innen, Rechtspopulist_innen und Neonazis in Bayern auch die Trias aus Gender-Gegnerschaft, Antifeminismus und Homophobie zunehmend einen Kitt. Wolfgang Herings „Euro Pro Life“ (München) organisierte auch in diesem Jahr wieder einen „1000 Kreuze für das Leben“-Marsch in München.

Die Plakatierung beweist, wie fundamentalistisch-christiliche, rechtspopulistische und neonazistrische Gruppen zusammenarbeiten. Foto: Robert Andreasch
Die Plakatierung beweist, wie christlich-fundamentalistisch, rechtspopulistische und neonazistische Gruppen zusammenarbeiten. Foto: Robert Andreasch

Die fundamentalistischen „Besorgten Eltern“ scheiterten bei ihrem im Mai in München geplanten Aufmarsch noch an internen Streitereien. Jetzt haben sich aber mit Augsburg einen (neben Stuttgart) zweiten Ort im süddeutschen Raum für ihre Aufmärsche gegen die angeprangerte „Gender-Ideologie“ und eine angebliche „Frühsexualisierung“ von Kindern (November 2014 und geplant im Januar 2015) ausgewählt. Die neonazistische „Bürgerinitiative Ausländerstopp München“ (BIA) zog mit einem homophoben Plakat erfolgreich in den Münchner Kommunalwahlplakat (Ergebnis: ein Sitz), die „Alternative für Deutschland“ (AfD) mit einem Faltblatt gegen „Gender Mainstreaming“ in den bayerischen Europawahlkampf (Ergebnis: 8,1% der Stimmen).

Akteur_innen des AfD-Landesverbands positionierten sich auch sonst mehrfach am rechten Rand. Im Dezember gründeten die Burschenschafter Benjamin Nolte (Danubia München) und Oliver Trapper (Thessalia Prag zu Bayreuth) den bayerischen Landeskreis der „Patriotischen Plattform“ in der AfD. Die „Thessalia“ geriet im Herbst 2014 massiv in die Schlagzeilen: Die Burschenschaft, die jedes Jahr beim Festakt zum „Sudetendeutschen Tag“ mit einmarschieren durfte und sich ihrer guten Beziehungen zur Bundeswehr rühmte, beherbergte viele Jahre lang den NSU-Unterstützer Mario B. in ihrem Bayreuther Haus.

Dieser Artikel erschien zuerst beim „Netz gegen Nazis“ (www.netz-gegen-nazis.de) in der dortigen Serie von Jahresrückblicken auf die Situation in den einzelnen Bundesländern.

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