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Bayerischer NSU-Untersuchungsausschuss – 20 Minuten für die Öffentlichkeit

Tonband im NSU-Untersuchungsausschuss.  Foto: a.i.d.a.Der Untersuchungsausschuss „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“ hat nach dem Ende der parlamentarischen Sommerpause im bayerischen Landtag seine Arbeit wieder aufgenommen. Die verkündeten Beschlüsse und Ergebnisse lassen erste Konflikte zwischen den Regierungs- und Oppositionsfraktionen vermuten.

Die für Freitagvormittag, 21.September 2012, anberaumte 3. Sitzung des Untersuchungsausschusses war wieder die meiste Zeit nicht-öffentlich. Dabei war zuerst nur ein einziger Punkt als nicht-öffentlich auf der Tagungsordnung gestanden, nämlich die Beratung von Verfahrensfragen. Auf Antrag der CSU wurde jedoch u.a. auch der Tagesordnungspunkt 5: „Sachstandsberichte“ in den nicht-öffentlichen Teil übernommen. Die anwesenden Journalist_innen, mitunter bis zu zwei Dutzend, mussten sich von daher über zwei Stunden vor dem Besprechungsraum gedulden. Interessierte ohne Presseausweis gelangten gar nicht erst in den Landtag, sie mussten unten an der Eingangspforte warten.

Der SPD-Rechtsexperte und Untersuchungsausschuss-Vorsitzende Franz Schindler teilte im knapp 20 Minuten währenden öffentlichen Teil der Sitzung dann die Ergebnisse und Beschlüsse mit. Es habe keine Kampfabstimmungen gegeben, begann Schindler seine Ausführungen. Allerdings, so wurde klar, auch keine Einigung in der wichtigen Frage nach Hinzuziehung von Sachverständigen und Expert_innen zum Thema Rechtsextremismus und Neonazismus in Bayern. Doch der Reihe nach:

Beschlossen wurden umfangreiche ergänzende Aktenbeiziehungen bzw. Ersuche um Amtshilfe zur Verfügungstellung selbiger bei Bundesbehörden und Behörden anderer Bundesländer. Dies betrifft unter anderem:

  • Sämtliches Material des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) in Bezug auf „insbesondere Personen und Vorkommnisse in bayerischen Kasernen im Untersuchungszeitraum (1.1.1994 bis 4.7.2012)“
  • Alle Protokolle der Parlamentarischen Kontrollkommission bzw. des Parlamentarischen Kontrollgremiums, soweit diese den Untersuchungsgegenstand betreffen
  • Das gesamte Material des bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz und des Innenministeriums den Untersuchungsgegenstand und folgende Informationen betreffend, z. B. die Operationen Rennsteig, Treibgut und Saphira, verschiedene neonazistische Treffen und Veranstaltungen in Bayern, das NSU-Trio, sowie zu den Beschuldigten im derzeit laufenden Verfahren der Generalbundesanwaltschaft (GBA) und diverse neonazistische Aktivisten die im Zeitraum 1.1.1994 bis 4.7.2012 aktiv waren bzw. es noch sind.
  • Die Anforderung weiterer Akten und Unterlagen ist nicht zuletzt notwendig, da die bislang vorliegenden Dokumente teilweise bruchstückhaft sind, wie der Ausschussvorsitzende Schindler im Gespräch mit dem Weblog publikative.org äußerte.

    Die Mitglieder des bayerischen NSU-Untersuchungsausschusses.  Foto: a.i.d.a.
    Die Mitglieder des bayerischen NSU-Untersuchungsausschusses. Foto: a.i.d.a.
    Im nicht-öffentlichen Teil soll über die Frage der Anhörung von Sachverständigen bzw. Expert_innen kontrovers diskutiert worden sein. Gehört werden sollten diese beispielsweise zur Definition von Rechtsextremismus oder zur Einschätzung der bayerischen Neonaziszene und ihren Entwicklungen seit Mitte der 1990er Jahre.

    Franz Schindler teilte mit, man habe sich weder über den Zeitpunkt noch über die dann einzuladenden Personen einigen können. Die Oppositionsfraktionen hatten u.a. eine Expertin aus dem journalistischen Bereich vorgeschlagen und wie bei den anderen NSU-Untersuchungsausschüssen möglichst gleich zu Beginn der Arbeit des Ausschusses anhören wollen. Dies wurde von CSU und FDP abgelehnt. Man wolle erst dann Experten einladen, wenn man wisse, was den Ausschuss speziell interessiere. Dr. Otmar Bernhard (CSU) meinte, Dinge zu bewerten sei nicht Aufgabe der Sachverständigen, sondern des Untersuchungsausschuss. Zudem wolle man die Experten vorher begutachten, um ihre Kompetenz einschätzen zu können.

    Nach a.i.d.a. Informationen handelt es sich bei der strittigen Expertin um die mehrfach ausgezeichnete Fachjournalistin Andrea Röpke. Diese hatte bereits den NSU-Untersuchungsausschüssen im deutschen Bundestag und im sächsischen Landtag als Sachverständige zur Verfügung gestanden.

    Beschlossen wurden dagegen erste Zeugenvernehmungen in den nächsten beiden Sitzungsterminen. Am 9. Oktober 2012 soll Gerhard Forster, von 1994 bis 2001 Präsident des bayerischen Verfassungsschutzes, und ggf. zwei seiner Abteilungsleiter befragt werden. Für den 16. Oktober 2012 ist die Zeugenvernehmung operativ tätiger Mitarbeiter des bayerischen Verfassungsschutzes vorgesehen.

    Einstimmig erklärten dann noch alle Mitglieder des Untersuchungsausschusses in öffentlicher Sitzung ihren Verzicht auf die Verlesung der beigezogenen Akten. Laut Untersuchungsausschussgesetz müssten alle Beweismittel verlesen werden, aber das sei auf Grund der Menge und der zur Verfügung stehenden Zeit nicht „handelbar“. Die Ausschussmitglieder hätten ja alle Akten erhalten bzw. alle hätten Zugriff auf die Informationen und Unterlagen, so die einhellige Meinung im UA.

    Schon jetzt stellt sich die Frage, wie die Einvernahme von 50 bis 100 Zeug_innen und die Erstellung eines qualifizierten Abschlussberichtes bis Ende Juli 2013 gelingen kann. Nicht einmal drei Stunden dauerte die dritte Sitzung des bayerischen NSU-Untersuchungsausschusses. Gerade einmal 20 Minuten machten den öffentlichen Teil aus. Auch die Zeitplanung bis Weihnachten ist sehr großzügig: In den verbleibenden 14 Wochen bis Weihnachten sind gerade einmal sechs Termine anberaumt worden, die allesamt am Nachmittag erst beginnen.

    Die nächsten Termine:

    Dienstag 9. Oktober 2012 um 13.30 Uhr
    Dienstag 16. Oktober 2012 um 13.30 Uhr

    Siehe auch:

    a.i.d.a – Artikel zum Beginn der Arbeit des bayerischen Untersuchungsausschusses

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