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Eine Neonazi-Immobilie in Unterfranken?

Auf facebook präsentieren sich die Neonazis vor der Immobilie.  Screenshot: a.i.d.a.
Die neonazistische Partei „Die Rechte“ behauptete in einer Veröffentlichung, in Unterfranken nun eine Immobilie als Parteizentrale zur Verfügung zu haben. Die antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München (a.i.d.a. e. V.) ging der Sache auf den Grund.

Die Nachricht auf facebook:

Am Nachmittag des 10. April 2015 postete der bayerische Landesverband der neonazistischen Partei „Die Rechte“ stolz ein Foto auf dem eigenen facebook-Profil: Der „Die Rechte“-Bundesvorsitzende Christian Worch (Hamburg), der Münchner Kreisvorsitzende Philipp Hasselbach und zwei ihrer „Kameraden“ posieren auf der Eingangstreppe eines Gebäudes. Die Neonazis veröffentlichten zum Foto einen ziemlich großspurigen Text:

„Parteichef Worch und Funktionäre der Kreisverbände München, Nürnberg und Bamberg trafen sich heute in Unterfranken, um einen ehemaligen Gasthof zu besichtigen, der künftig als bayerische Parteizentrale von DIE RECHTE zur Verfügung stehen wird. In dieser werden neben einem großen Versammlungsraum auch Unterkünfte für Kameraden sowie eine Geschäftsstelle in Betrieb sein. Mit dem Landesparteitag im Mai wird zugleich auch die feierliche Einweihung und Eröffnung des Zentrums vollzogen.“

47 Nutzer_innen klickten auf den „like“-Button, darunter bekannte Aktivist_inen aus NPD und Kameradschaftsszene. Ob sie sich zu früh gefreut haben?

Der Ort:

Die Immobilie steht online noch zum Verkauf. Screenshot: a.i.d.a.Den genauen Ort dieser angeblich neuen bayerischen  „Parteizentrale“ und „Geschäftsstelle“ hielten die Neonazi-Aktivist_innen geheim; außer einem Hinweis auf „Unterfranken“ ließen sie nichts verlauten. Antifaschist_innen des Münchner a.i.d.a-Archivs konnten das betreffende Gebäude dennoch rasch recherchieren: es handelt sich um das denkmalgeschützte Ensemble an der Winzerstraße in der Gemeinde Kolitzheim, Teilort Stammheim. Der ehemalige Gasthof wurde ab dem Jahr 1618 als fürstbischöflicher Verwaltungssitz erbaut und verfügt heute über 622 Quadratmeter Fläche in historischer Atmosphäre, von denen schon 288 bewohnbar ausgebaut sein sollen. Schon seit längerer Zeit ist das Gebäude im Internet zum Verkauf ausgeschrieben und kostet einem Immobilienexposé zufolge 395 000 Euro.

Neonaziumtriebe im Gebäude:

Kolitzheim-Stammheim ist ein kleiner Ort im unterfränkischen Landkreis Schweinfurt, es gibt keinen Bahnanschluss. Errichtet hier eine Neonazipartei mit bisherigem Schwerpunkt Dortmund ihre regionale „Parteizentrale“? Kann bzw. wird eine Partei, die im Moment aufgrund einer eventuellen Veruntreuung im Bundesvorstand von gerade mal 3000 Euro schon gebeutelt wird, hierfür fast 400 000 Euro ausgeben?Aufhorchen lassen Geschehnisse aus dem letzten Jahr, denn das Gebäude wurde schon einmal für eine rechte Veranstaltung genutzt: Am 27. September 2014 trat hier Karl Heinz Hoffmann, Gründer und „Chef“ der 1980 verbotenen „Wehrsportgruppe Hoffmann“, mit zwei Vorträgen zum „Denkmalschutz“ und zum „Islam“ auf. Aktuell hängen immer noch Werbezettel für die Bücher Hoffmanns in den Erdgeschossfenstern des Hauses.

Hintergründe und Reaktionen:

Angeboten wird das Gebäudeensemble im Internet derzeit mit dem Zusatz „Direkt vom Eigentümer“. Nach dem Tod des früheren Besitzers Sch. schlugen dessen Erben das vermachte Gebäude aus. Nach einem Insolvenzverfahren wurde Sylvia M. die neue Eigentümerin. Damit beginnen die Ungereimtheiten. Auf Telefonanrufe reagiert Sylvia M. zunächst nicht. Am darauffolgenden Tag kündigt sie an, per email gestellte Fragen doch zu beantworten. Interessent_innen für das Gebäude können auch mit einer Immobilienfirma in Nürnberg in Kontakt treten. Nach Schilderung des Sachverhalts stellt eine Mitarbeiterin einen sofortigen Rückruf in Aussicht. Dieser erfolgt jedoch nicht.

Bei der Gemeinde Kolitzheim ist man über die a.i.d.a.-Anfrage völlig überrascht. Bürgermeister Horst Herbert (CSU) wird aber sofort aktiv und kümmert sich persönlich um die Angelegenheit. Bisher hatte ihn niemand über die Behauptungen der Neonazis informiert. Auch die Umtriebe von Worch und Hasselbach am Nachmittag des 10. April 2015 in seiner Gemeinde waren ihm bisher unbekannt. Von einem „Landesparteitag“ der Partei „Die Rechte“, so Herbert, wisse er auch noch nichts. Der Bürgermeister kündigt an, sofort die Polizei zu informieren.

Eine zweite Immobilie in Bayern?

Neonazis der Partei „Die Rechte“ behaupteten in Sachen angeblicher Immobilien in Bayern aber noch mehr. Ende März tauchte auf der Homepage des Münchner Kreisverbands ein Artikel über die angebliche Eröffnung eines „Nationalen Treffpunkts“ in Bamberg auf:

„KV Bamberg: Nationaler Treffpunkt eröffnet! Kraftvoller Auftakt: Am gestrigen Abend feierten ab 18.30 Uhr Nationalisten die Eröffnung eines nationalen Treffpunkts direkt im Bamberger Stadtgebiet. Es fanden sich insgesamt über 40 Kameraden ein, darunter auch Gäste der Kreisverbände München und Nürnberg. Die Räumlichkeiten werden künftig für Feierlichkeiten, politische Versammlungen und Schulungen genutzt. Die Strukturen in und um Bamberg konnten mit der Eröffnung deutlich gestärkt werden. BAMBERG IST UNSERE STADT!“

Schon nach wenigen Stunden wurde dieser Artikel von den Verantwortlichen wieder gelöscht. Über die Reaktionen in Bamberg machte sich die Partei anschließend lustig, auf dem facebook-Profil hieß es (Fehler i. O.):

„Seit gestern ist auf der Seite der Antifa Bamberg zu lesen, das wir, ‚Die Rechte Bamberg‘, einen nationalen Treffpunkt eingerichtet hätten. Dies entspricht nicht der Wahrheit! In der Tat haben sich ein paar Mitglieder getroffen, allerdings in einer eigens für diesen Tag angemieteten Wohnung“.

Unberührt von diesem Zurückrudern in Sachen Bamberg veröffentlichte der Nürnberger „Die Rechte“-Parteiverband noch am 11. April 2015 eine anderslautende Nachricht (Fehler i. O.):

„Wir bauen unsere Strukturen weiter auf. Nun sind wir schon im Besitz zweier Räumlichkeiten in Bayern. Es werden nicht die letzten sein.“

Neonazis und Immobilien:

Behauptungen und Veröffentlichungen der „Die Rechte“-Parteigliederungen müssen also mit Vorsicht genossen werden. Aber unabhängig davon haben in der Vergangenheit Dutzende Immobilienbesitzer_innen in Bayern versucht, mit einer tatsächlichen oder angekündigten Überlassung ihrer meist recht unverkäuflichen Häuser und Grundstücke den Druck auf Kommunen und lokale Insititutionen zu erhöhen, ihr Vorkaufsrecht auszuüben bzw. hier als Investor_innen einzuspringen. Bekanntere Neonaziaktivisten und Parteien wie die NPD haben diese Strategie oft mit öffentlichkeitswirksamen Ortsterminen oder Veranstaltungen unterstützt. Es dürfte dabei nicht um Provisionszahlungen gegangen sein, wie manchmal von Behörden oder Medien in den Raum gestellt wird. Den neonazistischen Organisationen ist vielmehr daran gelegen, als „Gegenleistung“ temporär Veranstaltungsräume zur Verfügung gestellt zu bekommen. Zu groß war vielerorts in Bayern der Druck von Antifaschist_innen, Bürgerbündnissen, Gemeinden und Brauereien; eine mietweise Überlassung, zum Beispiel für einen Parteitag, scheiterte so in vielen Fällen.

Kaufen Neonazis tatsächlich Immobilien, dann meist ohne öffentliche Vorankündigung und in infrastrukturell attraktiveren Gegenden. Greifen sie in der Provinz zu, dann zumeist zu Schnäppchenpreisen. Das mittlerweile verbotene „Freie Netz Süd“ nutzte beispielswiese mehrere Jahre einen ehemaligen Gasthof in Oberprex an der deutsch-tschechischen Grenze, den die Käuferin für wenige tausend Euro erworben hatte.

Doch natürlich gibt es auch Besitzer_innen, die aus ideologischen Gründen ihre Immobilien, auch ohne einen Kauferwerb, leih- oder mietweise an Neonazis und/oder radikale Rechte überlassen. Antifaschist_innen, Engagierte Bürger_innen vor Ort und die Gemeinde sollten sich daher für den Fall eines eventuellen Landesparteitag der Neonazipartei „Die Rechte“ im Mai vorbereiten. Wir werden an der Geschichte um die angebliche „Parteizentrale“ in Kolitzheim-Stammheim weiter dranbleiben.

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