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Wenn die NPD nicht weiter auffällt

Nationalistische Parolen bei der Kundgebung der 'Freien Wähler'.  Foto: Robert AndreaschDie „Freien Wähler“ um ihren Vorsitzenden Hubert Aiwanger bedienten mit ihrer Münchner Kundgebung gegen den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) das rechtspopulistische Milieu. Das Ergebnis verwunderte nicht.

Dubiose Koalitionen

Der bayerische Landesverband der „Freien Wähler e. V.“ (FW) und die obskure Splittergruppe „Zivile Koalition e. V.“ der rechtspopulistischen Bloggerin Beatrix von Storch („Freie Welt“, Berlin) riefen für Samstag, 2. Juni 2012, zu einer gemeinsamen „Großdemonstration“ gegen den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) in München auf.

Für ihre „Großdemonstration“, bei der es sich in Wahrheit um eine stationäre Kundgebung auf dem Stachus handelte, hatten sich die „Freien Wähler“ außer mit der rechten Mulitaktivistin von Storch auch mit dem „Bund der Steuerzahler Bayern“ und dem Verein „Mehr Demokratie e.V.“ zusammengetan.

Nicht zum ersten mal kooperierten Storch und der FW-Landesvorsitzende Hubert Aiwanger (Rottenburg): Am 2. Mai 2012 nahm Aiwanger bereits am sogenannten „Südkongress“ der „Zivilen Koalition“ im Münchner Nobelhotel „Bayerischer Hof“ teil. Und es war Aiwanger persönlich, der die gemeinsame „Demonstration“ dort persönlich auf einer Pressekonferenz ankündigte – was wiederum von der extrem rechten Wochenzeitung „Junge Freiheit“ gleich freudig berichtet wurde. Werbung für die Demonstration machte im Vorfeld aber nicht nur die „Junge Freiheit“, sondern auch das rechtspopulistische Weblog „blu-news“ des ehemaligen „Politically Incorrect“- und „Die Freiheit“ (DF)-Aktivisten Christian Jung (München).

Das Echo im Vorfeld

Wer rechtspopulistisch ruft, braucht sich über das Echo nicht zu wundern: Der Bundesverband und der bayerische Landesverband der extrem rechten „Republikaner“ (REP) bewarben ebenfalls die Aktion und riefen ihre Mitglieder und Sympathisant_innen zur Teilnahme auf. Auf der REP-Homepage hieß es: „Die Publikationen dieses Vereins, unter dem Vorsitz von Beatrix von Storch, Vorsitzende zivile Koalition e.V., entspricht durchwegs auch dem Meinungsbild der Republikaner“.

Ab dem 29. Mai 2012 mobilisierte auch der bayerische NPD-Landesverband; der stellvertretende NPD-Bundesvorsitzende und NPD-Landespressesprecher Karl Richter (München) erklärte auf der NPD-Bayern-Homepage: „Die bayerische NPD wird deshalb am kommenden Samstag den Protest der Freien Wähler in der Landeshauptstadt unterstützen und so einem zentralen Thema unserer Zukunft zur gebotenen öffentlichen Aufmerksamkeit verhelfen“.

Gleichzeitig rief auch die der NPD und dem neonazistischen „Freien Netz Süd“ (FNS) nahestehende rassistische Kommunalwahlliste „Bürgerinitiative Ausländerstopp München“ (BIA) zur Teilnahme an der „Demonstration“ auf: „Eine unterstützenswerte Aktion! (…) Ein wichtiges Zeichen gegen die etablierte Europa-Politik ist dabei die Kundgebung am 2. Juni, 11.00 Uhr am Münchner Stachus. Wir gehen hin!“

Hubert Aiwanger (r.) mit Beatrix von Storch (m.) und Rolf Baron von Hohenau (l.).  Foto: Robert Andreasch
Hubert Aiwanger (r.) mit Beatrix von Storch (m.) und Rolf Baron von Hohenau (l.). Foto: Robert Andreasch
Gegen Extremismus

Vor etwa dreihundert Zuhörenden traten schließlich neben Beatrix von Storch und Hubert Aiwanger auch Christian Hanika („Junge Freie Wähler“), Rolf Baron von Hohenhau vom „Bund der Steuerzahler“ sowie Roman Huber vom Verband „Mehr Demokratie“ auf. Prof. Dr. Michael Piazolo, Landtagsabgeordneter der „Freien Wähler“ aus München, moderierte die Veranstaltung.

Ein kleines (schlicht von der ver.di-Jugend kopiertes, aber mit dem FW-Logo versehenes) „Fuck Rassismus!“-Schildchen am Bühnenrand fiel gegen die nationalistischen und populistischen Sprüche nicht ins Gewicht. Die kurzfristige Erweiterung des Kundgebungsmottos um den Zusatz „gegen Extremismus“ und Piazolos mehrfache Bemerkung, die Kundgebung richte sich auch gegen „Links- und Rechtsextremismus“, war vielmehr noch Wasser auf die Mühlen des Rechtspopulismus. Der beinhaltet nunmal – unabhängig von der tatsächlichen inhaltlichen Ausrichtung – schon per Definition eine Distanzierung von Neonazismus und rassistischen Ressentiments sowie gleichzeitig die andauernde Diffamierung von Linken als angebliche „Extremisten“.

Die gerufenen Geister

Karl Richter und sein neonazistischer BIA-Anhang tauchte, entgegen der am Vortag noch mehrfach wiederholten Ankündigung, nicht auf. Vor der Bühne versammelten sich jedoch zahlreiche rechte Aktivist_innen und ihre Sympathisant_innen. REP-Landeschef Johann Gärtner (Kissing) stand dabei in der ersten Reihe, nicht weit von ihm die ehemaligen Funktionäre der Kleinstpartei „Die Freiheit“, Christian Jung und Tim Hohmuth (auch letzterer ist nach eigenen Angaben nun beim rechtspopulistischen Onlineportal „blu-news“ aktiv).

In der Mitte mit NPD-Plakat: Heinrich Klenhart (NPD) bei der Kundgebung der 'Freien Wähler'.  Foto: Robert Andreasch
In der Mitte mit NPD-Plakat: Heinrich Klenhart (NPD) bei der Kundgebung der ‚Freien Wähler‘. Foto: Robert Andreasch
Heidrich Klenhart (Postbauer-Heng), aktiv bei der oberpfälzischen NPD und regelmäßig in den Kreisen des neonazistischen „Freien Netz Süd“ zu sehen, stand durchgehend völlig unbehelligt mit seinem offiziellen NPD-Plakat in der Kundgebung: „Versklavte Völker werden auf dem Altar des Zinses geopfert“.

Viele Teilnehmende entstammten rechten Parteien, Grüppchen und Sekten: Angereist waren unter anderem Vertreter_innen des extrem rechten Sammelbeckens „Runder Tisch Niederbayern“, der „Partei der Vernunft“ (PdV), der „Freien Union“, von „Stimme und Gegenstimme“, aus dem bayerischen Landesverband der rechtspopulistischen „Bürgerbewegung Pax Europa“ (BPE) genauso wie von der „Politically Incorrect München“-Gruppe um Florian Euring. Der rechte Rand der CSU war mit Aktivisten der parteiinternen „Aktion Linkstrend stoppen“ vertreten.

„PI“-Hoffotograf Roland Heinrich (München) veröffentlichte seine Bilder der Kundgebung nur wenige Stunden später auf dem rassistischen Weblog. Auch die extrem rechte Wochenzeitung „Junge Freiheit“ widmete der Aktion gleich einen eigenen, bebilderten Artikel.

Gegen Kommunismus und „British Empire“

Auf Transparenten, Schildern und in dem im Eingang zur Fußgängerzone verteilten Propagandamaterial dominierten verschwörungstheoretische Behauptungen, antisemitische Ressentiments und nationalistische Parolen.

Die extrem rechte „Bürgerrechtsbewegung Solidarität“ (BüSo) von Helga Zepp-LaRouche, die auf dem größten Transparent der Kundgebung ein „Trennbankensystem“ forderte, hatte beispielsweise eine ganz eigene Welterklärung parat: Beim personalisierten Bösen hinter den Kulissen handele es sich um Tony Blair, denn dieser wolle die Welt wieder als britisches „Empire“ regieren. Verschwörungstheoretisch wird im BüSo-Flugblatt („Für ein Leben nach dem Euro – Rückkehr zur nationalen Souveränität“) geraunt, dies sei „im Interesse der City of London“ und – nicht weniger antisemitisch konnotiert – im Interesse der „Profitmaximierung einer parasitären Klasse“.

Vielen Anwesenden ging es im Kampf gegen die (Zitat von einem Transparent auf der Kundgebung) „ewige Schuldknechtschaft“ um „das Volk“ bzw. die „Völker“ und sie prangerten darum wahlweise die „Zocker“, die „Geldsäcke“ oder auch den „Zins- und Zinseszins“ an.

Den größten Applaus bei der eineinhalbstündigen Kundgebung bekam Hubert Aiwanger für seine gleich mehrfach wiederholte, absurde Behauptung, die derzeitige Politik von Angela Merkel und der EU sei „Kommunismus“. Vielleicht hat die Münchner „Abendzeitung“ den Schlusssatz in ihrer Berichterstattung über die Anti-ESM-Kundgebung der „Freien Wähler“ ja vor dem Hintergund solch verschrobener Weltbilder formuliert: „Die NPD, die im Vorfeld zum Missfallen der Freien Wähler ihre Unterstützung angekündigt hatte, fiel nach Angaben der Polizei bei der Kundgebung nicht weiter auf“.

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