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1.-3. April 2011

Schloss Weissenstein in Pommersfelden.  Foto: Robert Andreasch
Schloss Weissenstein in Pommersfelden. Foto: Robert Andreasch
Pommersfelden. Sogenanntes „Lesertreffen“ des extrem rechten Versands „Lesen & Schenken“ von Dietmar Munier aus dem schleswig-holsteinischen Martensrade bzw. seiner monatlichen neonazistischen Publikation „Zuerst!“. Gut 200 extrem rechte Funktionär_innen und ihre Sympathisant_innen versammeln sich dazu im „Schlosshotel“ in einem Seitenflügel von Schloss Weißenstein im fränkischen Pommersfelden. Unter ihnen sind zahlreiche prominente extrem rechten Aktivist_innen, z. B. das NPD-Bundesvorstandsmitglied Ulrich Pätzold (Schöllnach), die saarländischen NPD-Politiker Peter Marx und Frank Franz, der bayerische NPD-Landesgeschäftsführer Axel Michaelis (Wachenroth), der braune „Liedermacher“ Frank Rennicke (Altengreuth) oder „Witikobund“- und „Burschenschaft-Danubia“-Funktionär Hans-Ulrich Kopp (Stuttgart).

„Lesen & Schenken“ hat in diesem Jahr einen „Sicherheitsdienst“ aus den führenden Aktivisten der neonazistischen „Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland“ (JLO) um Kai Pfürstinger sowie der verbotenen „Heimattreuen Jugend Deutschland“ (HDJ) um den ehemaligen HDJ-„Lagerleiter“ Martin Götze rekrutiert, die außer mit einem Posten am Tagungssaal-Eingang auch an den Toren des Schlossgeländes stehen, obwohl dieses Gelände gar nicht z

Vor dem Tagungssal des extrem rechten Treffens.  Foto: Robert Andreasch
Vor dem Tagungssal des extrem rechten Treffens. Foto: Robert Andreasch
um gepachteten „Schlosshotel“ gehört.
Dietmar Munier im Gespräch mit Peter Marx, Harald Neubauer u. a.  Foto: Robert Andreasch
Dietmar Munier im Gespräch mit Peter Marx, Harald Neubauer u. a. Foto: Robert Andreasch

Solcherart abgeschirmt soll das Treffen auch in diesem Jahr ohne Störungen ablaufen: Die Neonazis sind völlig unter sich, reisen zum Wochenende mit der ganzen Familie an. Fast alle Frauen tragen Röcke, manche Männer Tracht oder Zimmermannshosen. Für die rechte Szene bedeutet das „Lesertreffen“ ganz offensichtlich ein Abtauchen in einer völkisch-bündischen „Parallelwelt“. Und in der Wohlfühlatmosphäre dieser braunen „Parallelwelt“ will man sich nicht stören lassen. Die Öffentlichkeit, die jahrelang so gut wie keine Notiz von dem rechten Treiben nahm, soll deshalb auch in diesem Jahr strikt draußen gehalten werden.

Die Neonazis und ihr selbstaufgestellter „Sicherheitsdienst“ gehen darum massiv gegen die wenigen Journalistinnen und Journalisten vor, die im (öfentlichen) Schlosshof vorbeischauen. Ein Fotograf wird bespuckt, bei einem anderen versuchen junge Neonazis zuerst, ihn einzuschüchtern, später dazu seine Kameraobjektive mit Kieselsteinen zu bewerfen. Zynisch droht Jens Lütke vom „Sicherheitsdienst“ (er ist auch der NPD-Landesvorsitzende von Schleswig-Holstein) einem Reporter am Nachmittag, man könne für seine „Sicherheit“ nun „nicht mehr garantieren“. Den zeitweise anwesenden oberfränkischen Bereitschaftspolizist_innen scheint dies völlig egal zu sein, sie greifen lange Zeit nicht ein und reagieren dann mit einer Personenkontrolle ausgerechnet des von den Neonazis am meisten bedrängten Fotografen. Mitten in dieser polizeilichen Personenkontrolle stehend wird der Fotograf dann von Neonazis attackiert: Ulrich Pätzold, Mitglied des NPD-Bundesvorstands, springt herbei und schlägt dem Journalisten mit voller Wucht mit der Faust gegen den Kehlkopf. Die Polizeibeamt_innen nehmen vom Schläger lediglich die Personalien auf, Pätzold kann weiter am „Lesertreffen“ teilnehmen.

Als Referenten sind dort am Freitag Nachmittag (1. April 2011) Hans-Ulrich Kopp („Ostdeutsche Kulturgüter in russischen Kellern: Das Schicksal eines Kunstschatzes”) und NPD-Landtagskandidat Hans Püschel („Meinungsfreiheit: Mit Thilo Sarrazin in der SPD”) angekündigt. Am Samstag soll nach dem Programmpunkt „Offenes Singen und Volkstanz“ der „Sezession“-Herausgeber Götz Kubitschek („Deutsche Opfer, fremde Täter: Ausländergewalt in Deutschland”) und anschließend Prof. Dr. Theodor Schmidt-Kaler („Kurskorrektur tut not: Ursachen und Folgen der Bevölkerungsentwicklung”) referieren. Danach steht Dietmar Munier selbst („Als politischer Verleger quer zum Zeitgeist”) und schließlich der extrem rechte Multiaktivist Andreas Mölzer („Europa im Fadenkreuz: Geopolitische Herausforderungen des 21. Jahrhunderts”) auf dem Programm. Am Sonntag soll Günter Pahl-Keitum („Detlev von Liliencron: Annäherung an einen Dichter”) und schließlich um 12.00 Uhr noch der frühere „Nation & Europa“-Herausgeber Harald Neubauer („Haß, Heuchelei, Hysterie: Wie deutsche Medien manipulieren”) sprechen. Außerdem hält nach a.i.d.a.-Informationen zusätzlich der nicht angekündigte Tomislav Sumic einen Vortrag.

Hans-Ulrich Kopp (m.) und andere Teilnehmer_innen im Schlosshof.  Foto: Robert Andreasch
Hans-Ulrich Kopp (m.) und andere Teilnehmer_innen im Schlosshof. Foto: Robert Andreasch
Die „Schlosshotel“-Pächter Renate und Manfred Haag haben wie in den vergangenen Jahren ihr Hotel wieder einmal bereitwillig für das extrem rechte Treffen zur Verfügung gestellt. Mit den neonazistischen Teilnehmer_innen haben sie überhaupt kein Problem. Renate Haag ist aber schnell zur Stelle, als Reporter eine angeblich ihr gehörende Grünfläche betreten haben sollen. Der Schlossbesitzer – und damit der Besitzer der Grünfläche – ist in diesem Jahr jedoch auf den Seiten der Nazigegner_innen: Graf von Schönborn spricht auf einer von 150 Bürger_innen besuchten antifaschistischen Kundgebung vor dem äußersten Schlosstor neben Schauspieler Erich Ude und dem jüdischen KZ-Überlebenden Josef Jakubowicz. Bürgermeister Hans Beck und die Aktivist_innen der „nordbayerischen Bündnisse gegen rechts“ setzen sich mit der Kundgebung über den im Vorfeld ergangenen skandalösen „Rat“ der beim bayerischen Verfassungsschutz angesiedelten „Informationsstelle gegen Extremismus“ (BIGE) hinweg, sich nicht gegen das Neonazi-Treffen zu engagieren.

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