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„Stadt der Jugend“, Schlageter und NS-Gräber

Landsberg stehen eine Reihe von Neonazi-Aufmärschen bevor. Der NPD-Funktionär Roland Wuttke plant eine Demonstration am 29. November 2008, noch ist sie jedoch verboten.

von Fred König

Landsberg hatte bisher eigentlich Glück gehabt: Organisierte Nazis hatten sich die Stadt bisher noch nicht auf die Fahne geschrieben, obwohl Landsberg am Lech zu „Führers Zeiten“ als „Stadt der Jugend“ galt, dort ein Gedenkstein für den Freikorps-„Helden“ Albert Schlageter stand und zudem einige verurteilte NS-Kriegsverbrecher auf dem dortigen Gefängnis-Friedhof begraben liegen. Aber letztlich war es eine Frage der Zeit bis Quälgeister wie der Meringer NPD-Bezirks- und stellvertretende Landesvorsitzende Roland Wuttke auf die 28.000-EinwohnerInnen-Stadt aufmerksam würde. Jetzt hat er gleich sechs extrem rechte Veranstaltungen in Landsberg – als Erstes eine Demo am 29. November – angemeldet, vermutlich auch, weil beim ersten Mal alles so prima geklappt hatte.

Denn bereits am 26. Mai 2008 hatte Wuttke ungestört eine Feierstunde am ehemaligen Standort des sog. Schlageter-Steins abgehalten: Mit ihm zelebrierte eine Gruppe von vielleicht 15 „Autonomen Nationalisten“ überwiegend aus Augsburg den 85. Todestag Schlageters, der nach dem 1. Weltkrieg im besetzten Rheinland gegen die französischen Besatzer kämpfte, verhaftet, wegen Sabotage verurteilt und eben am 26.5.1923 hingerichtet wurde. Der Landsberger Gedenkstein war im Frühsommer 1923 überhaupt der erste Schlageter-Stein einer ganzen Reihe, die damals in nationalistischer Begeisterung für den „Freiheitskämpfer“ im Deutschen Reich errichtet wurden. Zwei Künstler, der Landsberger Claus-Peter Lieckfeld und der Münchener Wolfram Kastner hatten den Stein immer wieder skandalisiert und auch handgreiflich „angeschoben“, bis er eines Tages fiel und seither im Stadtbauhof aufbewahrt wird. Dass es jedoch tatsächlich eine Diskussion in Landsberg gibt, das antidemokratische Schandmal wieder aufzustellen, lässt vermuten, dass es um die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit der Stadt nicht so weit her ist wie viele LandsbergerInnen meinen. 

Wegen der Wuttke-Gedenkfeier im Frühjahr hat es in Landsberg auch heftige Kritik an Polizei und dem Landratsamt als Ordnungsbehörde gegeben, denn von der ordnungsgemäß angemeldeten Veranstaltung Wuttkes wurden Bürgerschaft und Presse vorsichtshalber erst gar nicht informiert. In den zurückliegenden Wochen wurde ziemlich deutlich, dass Polizei und Behörden noch mehr als einen Nazi-Aufmarsch zivilgesellschaftliche Gegenaktionen fürchten. Das Wort Paranoia passt ziemlich gut darauf, mit welchen Mitteln und wie unsouverän Polizei, Stadt und Ordnungsamt auf die Formierung bürgerlichen Protests gegen die am 29.11.08 geplante Nazi-Demo reagiert.

Wuttke will mit seiner revisionistischen Parole „Landsberg steht zu seiner Geschichte“ vom Bahnhof die beiden NS-tauglichen Standorte in der Stadt ansteuern und sich mit seiner Meute auch auf dem historischen Hauptplatz Landsbergs produzieren. Zwar hat das Landratsamt die Demonstration zunächst mit Berufung auf das neue Bayerische Versammlungsgesetz (Verbot von NS-Verherrlichung + Aufmärsche an problematischen, NS-belasteten Stätten) verboten, es ist aber nicht zu erwarten, dass Versammlungsleiter Wuttke und sein 19-jähriger Mitstreiter Stefan Friedmann, der in Augsburg zur Kommunalwahl für die NPD kandidierte und als Anmelder der Demo fungiert, das auf sich beruhen und klein beigeben werden.

Unterdessen setzen Polizeichef Alfred Geyer, Landsbergs OB Ingo Lehmann (SPD) und Landrat Walter Eicher (CSU) alles daran zu verhindern, dass es zu einem entschlossenen zivilgesellschaftlichen Widerstand gegen den Nazi-Aufmarsch kommt. Der Oberbürgermeister hat rasch am abgelegenen Rossmarkt eine „friedliches Bürgerfest“ kraft seiner stadtväterlichen Wassersuppe anberaumt, um weitere „unkontrollierbare“ Aktivitäten aufzufangen. Einen der Initiatoren eines Bürgerbündnisses gegen Rechtsextremismus in  Landsberg, den Vorsitzenden des örtlichen Kreisjugendringes, schüchtern Polizei und Landratsamt in unglaublicher Weise ein, überziehen ihn mit Telefon-Terror, zitieren ihn zum Gespräch und setzen ihn massiv unter Druck, keine Gegendemo anzumelden, anderenfalls man ihn dafür verantwortlich machen werde, wenn es in Landsberg zu Krawallen von Antifa-Autonomen komme. Lieber lassen diese „Verantwortlichen“ die Nazis durch die Stadt ziehen, als der Zivilgesellschaft Möglichkeiten einzuräumen, den Protest der Landsberger Bürgerschaft gegen die unappetitlichen Nazi-Aktivitäten sicht- und hörbar auszudrücken.

Dabei ist der junge Mann nur Initiator eines engagierten Bürgerbündnisses, das sich am 11. November in Landsberg zusammenfand: rund 150 BürgerInnen waren zu dem Informationsabend im Pfarrzentrum erschienen, Vertreter der Stadtratsfraktionen, ein grüner Landtagsabgeordneter und zahllose Jugendliche und VertreterInnen von Jugendverbänden und Kirchen waren darunter. Man einigte sich auf ein einigermaßen arbeitsfähiges Gremium, das nun die Gegenaktivitäten planen soll. Es bleibt zu hoffen, dass die entschlossenen BürgerInnen Landsbergs sich von der obstruktiven Politik der Behörden nicht von einem kraftvollen, merklichen Protest abhalten lassen.

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